Buchkritik
Bright New Novel
Als “Bright Young Man” wurde Ted Bundy vor Gericht bezeichnet – der Serienmörder, der in den 1970er Jahren in den USA zahlreiche Frauen ermordete. Bis heute hält die Faszination für seine Person an. Aber was ist mit den Frauen, deren Leben durch seine grausamen Verbrechen beendet oder tief erschüttert wurden? Ihnen widmet sich Jessica Knoll in ihrem Roman “Bright Young Women”.
Exzellent charakterisiert
Erzählt wird der Roman aus den Perspektiven von Pamela und Ruth. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein: Pamela ist eine Overachieverin, die unter enormem Druck steht. Ruth hingegen ist zutiefst verunsichert und muss sich von ihrer Familie freikämpfen. In ihren Kapiteln taucht immer wieder ein böser Humor auf, wie bei ihrem Besuch bei einer Selbsthilfegruppe.
Das Bindeglied zwischen den beiden Frauen ist Tina – nachdem Ruth ermordet wird, tut sie sich mit Pamela zusammen, der einzigen Zeugin bei weiteren Morden. Alle drei Frauen sind exzellent charakterisiert, ihre Verhaltensweisen und psychischen Empfindungen gehen tiefer, als man dies bei Romanfiguren für möglich halten würde. Dabei schreckt die Autorin nicht vor der Beschreibung düsterer Gedanken zurück. Ihre Beziehungen sind komplex und glaubhaft. Der Erzählstil macht sie alle trotz ihrer Fehler absolut liebenswert.
Erstickender Sexismus
Die vorherrschende Diskriminierung von Frauen in den 1970er-Jahren wird im Roman schonungslos aufgezeigt. Es beginnt dabei, dass Frauen nicht ernst genommen werden, wie Pamela bei ihren Zeugenaussagen immer wieder erleben muss, und gipfelt in brutaler Gewalt gegen Frauen.
Alle drei Frauen haben die Misogynie internalisiert, gehen aber ganz anders damit um. Auch ihr Feminismus entwickelt und unterscheidet sich. Je mehr die Frauen aus ihrem vorgeschriebenen Rollen ausbrechen, desto verheerender sind die Reaktionen ihres Umfelds. Im Laufe des Romans entfaltet sich das Grauen immer mehr, indem Lesende mehr über die Vergangenheit der Frauen erfahren und die Suche nach dem Angeklagten fortschreitet. Das kann beim Lesen richtig wütend machen.
Bildquelle: Bastei Luebbe
Schwere 5-Sterne-Kost
“Bright Young Women” von Jessica Knoll ist ein spannender Roman mit starken Charakteren und einem gelungenen Aufbau. Die Kapitel springen zwar in der Zeit hin und her, greifen aber perfekt ineinander. Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass manche Sätze so kompliziert formuliert sind, dass sich deren Bedeutung auch nach mehrmaligem Lesen nur schwer entschlüsseln lässt. Dies wird aber von den Schockmomenten und der emotionalen Achterbahn aufgewogen, welche von der Lektüre ausgelöst werden können.
Das Thema ist emotional belastend, es gibt aber keine sehr graphischen Gewaltszenen. Wer also damit umgehen kann, sollte unbedingt zu “Bright Young Women” greifen.
“Bright Young Women” von Jessica Knoll ist beim Eichborn-Verlag erschienen und kostet als Taschenbuch 18 Euro – in der Erstauflage sogar im exklusiven Farbschnitt.