M94.5 Filmkritik
Beale Street
Oscar-Gewinner „Moonlight“ machte Regisseur Barry Jenkins berühmt, nun bringt er mit dem gleichen Team „Beale Street“ ins Kino. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Filmen sind nicht zu bestreiten, tun „Beale Street“ aber keinen Gefallen.
Wenn Jenkins‘ Kamera in eleganten Umdrehungen seinen Figuren folgt, dann glühen sie vor Liebe: In der herbstlich-warmen Farbpalette und den sorgsam durchkomponierten Bildern spiegelt sich nicht nur die Liebe zwischen Tish und Fonny wider, sondern auch die Liebe des Regisseurs für seine Charaktere. Diese bestechende Ästhetik hat Beale Street (im Original If Beale Street Could Talk) eindeutig mit Moonlight gemeinsam, ebenso wie die Hürde, an der Beale Streets tragische Liebesgeschichte zu scheitern droht: systemischer Rassismus in den USA. Denn Fonny (Stephan James, Selma, Homecoming) sitzt wegen einer Vergewaltigung im Gefängnis, die er nicht begangen hat. Verhaftet wurde er, obwohl alle Indizien gegen seine Täterschaft sprechen, weil dem zuständigen Polizisten seine Hautfarbe nicht passt.
Zu schön, um wahr zu sein
Der Rassismus im New York der 70er Jahre ist unausweichlicher Dauerbegleiter und Anstoß, der den Film ins Rollen bringt, doch im Kern erzählt Beale Street nicht von Diskriminierung, sondern von Liebe: zwischen dem zentralen Liebespaar, aber auch zwischen Familienmitgliedern, die füreinander kämpfen, oder zwischen Mitgliedern von Minderheiten, die einander unterstützen. Es sind diese Szenen, die den Film tragen, und dieser bewusst gesetzte Fokus verleiht dem Film einen erfrischenden Optimismus, ohne zu verharmlosen. Allerdings fehlt zeitgleich der emotionale Durchschlag, den man von einer solchen Geschichte erwarten würde. Tishs (Kiki Layne) Werdegang vor und nach Fonnys Verhaftung wird in non-linearer Weise begleitet, und vielleicht sind es die vielen Zeitsprünge, die die Erzählung fragmentarisch und dadurch weniger nachvollziehbar wirken lassen. Vielleicht ist es aber auch die Sentimentalität der Romanvorlage, die für überstilisierte Dialoge und an Kitsch bordernde Hollywood-Momente sorgt und damit den Figuren ihre Glaubwürdigkeit nimmt.
Solche Szenen wiederum werden leider auch nicht von dem großartigen Cast (unter anderem Regina King, die Tishs Mutter spielt und dafür mit dem Oscar ausgezeichnet wurde) oder dem Oscar-nominierten Soundtrack von Nicholas Britell aufgefangen und laufen stattdessen ins Leere. Gelegentlich mag die sehr präzise konstruierte Kameraführung von Moonlight-Kameramann James Laxton sogar zur Distanzierung von den Figuren beitragen, anstatt sie dem Zuschauer näher zu bringen: Die langsam gleitenden Kamerafahrten oder charakteristischen Close-Ups mit dem Blick direkt in die Kamera erheben Tish und Fonny auf ein überlebensgroßes Podest, das wunderschön anzusehen ist, mit dem man jedoch nur schwer mitfühlen kann.
Ästhetik ohne Emotion
Verglichen mit Moonlight ist Beale Street eindeutig die zahmere, leichter verdauliche, dadurch aber auch weit weniger intensive Variante. Trotz vieler starker Elemente fehlt das runde Ganze, am Ende bleibt lediglich die oberflächliche Andeutung einer erzählenswerten Geschichte. Möglicherweise hinkt aber auch der Vergleich, selbst wenn es viele personelle und thematische Überschneidungen gibt: Für sich allein stehend bietet Beale Street in erster Linie eine ausgesprochen hübsche Kinoerfahrung – allerdings nicht viel mehr darüber hinaus.
„Beale Street“ läuft ab dem 07. März 2019 in den deutschen Kinos.