Wahlprogrammcheck: Digitalisierung
Digitalisierungsministerium und ein deutsches Silicon Valley
Deutschland schneidet seit Jahren in verschiedensten Digitalisierungs-Rankings mittelmäßig bis schlecht ab. Und wenn man sich beispielsweise den Netzwerkausbau auf dem Land anschaut ist das auch kein Wunder. Zwar sind die Funklöcher zurückgegangen, aber oft ist das Internet so langsam, dass man de facto kaum was damit anfangen kann. Was wollen AfD, FDP und die Union daran ändern? Christina Böltl hat ihr Wahlprogramm untersucht und klärt auf.
Zahlen mit Apple Pay, Wlan an den Schulen und Behördengange online erledigen? Klingt eher nach Zukunftsmusik. Wie wollen die Parteien denn ein digitalisiertes Deutschland schaffen?
Die AfD
Die AfD fordert die Abschaffung der Datenschutz-Grundverordnung und will sie mit einem verschlankten Datenschutzrecht ersetzen. Hier zeigt ein Blick ins Grundsatzprogramm, dass beispielsweise Datenschutz nicht für Täter gelten soll. Das Problem: in Deutschland gilt die Unschuldsvermutung, also könnte der Datenschutz erst nach einer Verurteilung und nicht vorher zur Ermittlung ausgesetzt werden. Die AfD ist für Videoüberwachung mit Gesichtserkennungssoftware im öffentlichen Raum an kriminalitätsanfälligen Plätzen.
Entscheidungen über Löschungen von „Hassrede“ im Internet sollen nicht von den Plattformen sondern nur durch die Justiz gefällt werden. Beim Glasfaser- und Funknetzausbau setzt die AfD auf Förderung regionaler Strukturen nach dem Vorbild des „nationalen Roamings“. Dem 5G Netzausbau steht sie dabei misstrauisch gegenüber und will gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit 5G prüfen. Außerdem setzt sie sich für ein Ende des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes ein, das Social Media Plattformen verpflichtet, Hasskriminalität schnell zu bekämpfen. Uploadfilter will sie verhindern.
Die CDU/CSU
Die Union will ein eigenes Bundesministerium für Digitalisierung schaffen, das konkrete digitalpolitische Projekte wie die Corona-Warn App koordinieren und umsetzen soll. Auch für die Digitale Bürgeridentität (e-ID), die zum Beispiel Steuer-ID oder Sozialversicherungsnummer an einem Ort zusammenfassen soll ist dann das Digital- Ministerium zuständig. Außerdem will die Partei einen neuen Digital-TÜV, der Gesetze auf ihre Digitalisierungstauglichkeit prüft schaffen. Bis 2025 soll ein flächendeckendes 5G-Netz geben. Für dessen Ausbau will sie 15 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.
Die Union warnt vor einer übertriebenen Auslegung von Datenschutzanforderungen, die die Innovation schädige. So will sie umstrittene Verfahren zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung einsetzen. Dazu zählen nicht nur Online-Durchsuchungen sondern auch die Quellen-TKÜ – also die Erfassung von z.B. Chatnachrichten auf einem Handy bevor diese beim Verschicken verschlüsselt werden.
Die FDP
Ähnlich wie die Union will die FDP ein Ministerium für digitale Transformation schaffen, das Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitssystem schnellstmöglich digitalisiert. Außerdem soll jedes Ministerium 10 KI-Anwendungsfälle in seinem Zuständigkeitsbereich finden und umsetzen, was die Frage aufwirft ob hier nach Problemen für Lösungen gesucht wird statt Lösungen für Probleme zu finden.
Beim Netzwerkausbau soll es schnell voran gehen: bis 2025 sind bundesweit 5G das Ziel. Außerdem will die FDP staatliche Gigabit-Gutscheine für schnelles Internet vergeben. Um die Konkurrenzfähig im IT Bereich zu fördern, wollen sie digitale Freiheitszonen einführen, die durch niedrige Steuern und wenige Regularien eine Art deutsches Silicon Valley werden sollen. Ein neues „Deutschlandportal“ soll außerdem Bürger:innen alle Daten zeigen, die der Staat über sie gespeichert hat und sie benachrichtigen, wenn eine Behörde darauf zugreift. Ausnahmen gelten für Strafermittler:innen.
Die Grünen
Die Grünen wollen verpflichtend bis 2030 einen Digitalen Produktpass für „alle Güter und Materialien“. Er soll Infos über Co2-Fußabdruck, Design, Reparierbarkeit und enthaltene Materialien geben und damit den Ausbau einer effizienten Kreislaufwirtschaft fördern.
Blockaden beim Ausbau von Glasfaserkabeln für schnelles Internet wollen die Grünen beseitigen indem sie Mobilfunkanbieter zu Roaming-Abkommen zwingen. Dabei werden sie aber „nicht vertrauenswürdige Unternehmen besonders aus autoritären Staaten“ nicht beteiligen, was z.B. Huawei betreffen dürfte. Sie wollen außerdem einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet für alle schaffen und eine digitale Identität schaffen. Jeder Bürger und Bürgerin darf z.B. den Personalausweis, Krankenkassenkarte, Führerschein auf ihr Smartphone staatlich abgesichert hinterlegen.
Beim Datenschutz lehnen die Grünen die Ausweitung von Videoüberwachung, anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen und die Quellen-TKÜ ab, genau wie Uploadfilter.
Die Linke
Die Linke befürchtet eine Aushöhlung der Demokratie durch wachsende Konzernmacht und Überwachungstechnologien. Deshalb fordern sie einen sozialökologischen Systemwechsel mit einer Verstaatlichung von digitaler Infrastruktur. Es soll ein einheitliches Mobilfunknetz geben, betrieben von einer bundeseigenen Gesellschaft. Den Glasfaserausbau will sie mit Investitionen von jährlich zehn Milliarden Euro fördern. Kosten für Internet und Endgeräte sollen in der Mindestsicherung berücksichtigt werden, weil sie heute essentiell zum Leben sind.
Außerdem will sie als einzige Partei Kryptowährungen wegen ihrem hohen Ressourcenverbrauch verbieten. Für Elektrogeräte soll eine längere Laufzeitgarantie gesetzlich festgeschrieben werden sowie Software Updates, Reparaturanleitungen und Ersatzteile verfügbar gemacht werden. Beim Datenschutz spricht sich die Partei gegen Videoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, die Vorratsdatenspeicherung und die Quellen-TKÜ, sowie Online-Durchsuchung aus.
Die SPD
Die SPD fordert Deutschland solle bis 2030 über eine digitale Infrastruktur auf Weltniveau verfügen, wobei sie dieses Ziel sehr vage halten. So soll jeder deutsche Haushalt mit ein Gigabit pro Sekunde ans Netz angeschlossen werden, aber es wird nicht genau gesagt bis wann das passieren soll. Das Internet soll im Sozialtarif für Geringverdiener:innen, Student:innen und Schüler:innen verfügbar sein, sodass sich auch alle einen Netzwerkzugang leisten können.
Ein Gesetz, das es ermöglicht, zwischen verschiedenen Messenger-Diensten, sozialen Netzwerken und digitalen Diensten zu kommunizieren oder zu wechseln steht auch im Programm unter dem Stichwort Interoperabilität. Bürger:innen sollen zudem Berechtigungen selbst vergeben und auch wieder löschen können und somit kontrollieren, wer wann auf ihre Daten zugreift. Das Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik soll zur zentralen Cybersicherheitsbehörde ausgebaut werden. Beim Datenschutz setzt sich die SPD gegen eine Klarnamenpflicht ein.