Kommentar
Angst vor dem schwulen Fußballer
Letzte Woche hat der englische Fußballer Jake Daniels ganz schön für Schlagzeilen gesorgt und das nur weil er sich als homosexuell geoutet hat. Eigentlich krass, dass das 2022 immer noch so ein Thema ist. Das ist wirklich nicht mehr zeitgemäß, findet Marleen Uebler und fordert mehr Toleranz vom Fußball.
“Da muss man absolut den Hut vor ihm ziehen”, “Es ist inspirierend und mutig”, “Es verdient Respekt”. Wenn Männer, die Fußball spielen, sich trauen, ihre Homosexualität öffentlich zu machen, also sich “outen”, gibt es immer Reaktionen. Zum einen bewundern viele die Entscheidung sich zu trauen, loben und bekunden ihre Bewunderung für diese Entscheidung. Trainer zeigen sich “geschockt” darüber, dass es so lange ein Geheimnis war. Sexualität ist eben etwas persönliches und sich damit in die Öffentlichkeit zu trauen ist eine große Sache – immer noch.
Dabei sind die, die sich “geschockt” zeigen und sich fragen, warum es so lange gedauert hat, oder einfach schlichtweg in die Hände klatschen, genauso Teil des Problems.
Die Meisten warten bis sie keine aktiven Spieler mehr sind um sich der Öffentlichkeit zu stellen. Dann ist es nämlich einfacher, den Hass-Kommentaren, Buh-Rufen im Stadion und Anfeindungen in der Kabine zu entgehen. Die Ursache dafür liegt an dem Bild, das die Männer von sich und von “ihren” Spielern haben. Das Bild das Fußball sehr lange auch von sich selbst hatte. Sport ist Sport. Männer sind Männer. Und stehen, wenn sie “echte” Männer sind, auf Frauen. Dass das schon vor zehn Jahren extrem rückwärtsgewandt war muss ich niemandem erzählen.
Das Outing sorgt für Schlagzeilen
Dann hat sich vor Kurzem Jake Daniels geoutet. Der 17-jährige Brite ist damit der erste aktive europäische Fußballer, der offen zu seiner Homosexualität steht. Vor ihm gab es schon einige Andere, die sich geoutet haben, aber eben erst nach der Karriere. Damit ist er der erste Fußballer im Dienst. Und da gab es eben wieder dieselben Reaktionen: Bewunderung, Hass, Schock.
Hört auf damit!
Es ist an der Zeit, dem Fußball den Mantel der Toxic Masculinity zu nehmen. Toxic Masculinity ist das Schlagwort für veraltete Rollenbilder über den “gefühlskalten, starken Mann”. Es ist an der Zeit den harten Fakten ins Auge zu blicken. Allein schon rein statistisch gesehen ist das Bild vom Fußball ohne queere Menschen eine Illusion. Denn Laut einer Umfrage sind 15% der Menschen in Deutschland queer. Demnach müsste es in jedem Fußballteam also mindestens einen queeren Mann geben.
Hätten homosexuelle Männer wenigstens innerhalb des Fußballs keine negativen Folgen zu erwarten, wäre es wenigstens etwas leichter sich zu outen.
Aber das ist noch längst nicht Realität: solange die FIFA die WM an Länder wie Katar vergibt, ist der Sport noch nicht so weit. Katar ist ein Land, in dem Homosexualität und Queerness verboten sind – per Gesetz. Ist die FIFA davon ausgegangen, dass es keine schwulen Männer in ihren Reihen gibt? Allein dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die Männer die ihren Respekt bekunden, nicht weiterdenken als eine positive Schlagzeile.
Es geht hier aber nicht um PR und ein gutes Image der Offenheit. Es geht um echte, gelebte Toleranz. Diese schließt mit ein, sich einzugestehen, dass Katar kein guter Gastgeber für die WM ist. Dass Länder, die Homosexualität verurteilen, nicht mit den Werten des Sports vereinbar sind. Das schließt mit ein, dass offen über Anfeindungen, die homosexuelle Männer erfahren, gesprochen wird. Und es schließt mit ein, sich einzugestehen, dass es ein Problem gibt.
Wenn der Fußball offen und ehrlich an ihr Problem mit ihren homosexuellen Spielern herangehen würde, dann würden sich mehr Männer outen. Weil sie nicht die Angst haben müssten, nicht als Profi in ihre Karriere starten zu können. So wie Jake Daniels, der extra abgewartet hat, bis er als Profi in der zweiten Liga war, um sich zu outen. Er hat das getan, weil er genau weiß, dass man als schwuler Mann mit Anfeindungen rechnen muss.
Es zeigt außerdem deutlich, dass wenn sich jemand outet und man demonstrativ laut in die Hände klatschen muss und “Respekt” ruft, dass es da ein Problem gibt. Wenn es Mut erfordern muss, sich zu outen. Wenn es immer ein Thema ist, und man(n) sich teilweise nicht traut, sich zu outen, dann hat der Fußball ein Toleranzproblem.
Ich würde lieber sehen, dass es Männer gibt, die sich outen, aber darauf nicht gleich 10 verschiedene Schlagzeilen folgen, warum das so mutig war. Wir müssen da früher ansetzen, im Nachhinein ist es zu spät. Der Sport muss schon vorher sagen: alles ist normal, Sport ist queer. Dann kann Jake Daniels auch wieder in der Versenkung verschwinden, und in der zweiten Liga in England seine Bälle verschießen.