Münchner Clubs und Corona
Alternative Clubkultur
Die Tanzflächen sind leer, Einnahmen gibt es keine, doch die Kosten bleiben bestehen. Die Corona-Krise geht auch an den Münchner Clubs nicht spurlos vorbei. Doch Not macht bekannterweise erfinderisch.
Deutschlandweit wurde bereits aus verschiedenen Clubs live auf Arte.concert, Youtube und Facebook in Zusammenarbeit mit der Veranstaltungsreihe United We Stream Musik übertragen. Anfang April waren hier auch bayerischen Clubs vertreten – wie das Harry Klein und das Pacha aus München. Über 600.000 Menschen haben den Livestream verfolgt. Zeitgleich wurden über die Plattform Startnext Spenden für die bayerischen Clubs gesammelt.
Eigene Streams und Merchandise
Die meisten Münchner Clubs bieten auch selbst organisierte Streams auf Facebook an und sammeln dabei eigenhändig Spenden. So zum Beispiel die Rote Sonne, die durch ein eigens organisiertes Crowdfunding über Startnext und den dortigen Verkauf von Getränkegutscheinen, Clubkarten und Merchandise bereits über 16.000 Euro an Spendengeld gesammelt hat. Oder das Blitz, welches letztes Wochenende mit einem Lineup mit 11 DJs einen halben Tag lang im Internet zu hören war. Auch der Bahnwärter Thiel bietet weiterhin sein bunt gefächertes Programm von DJ-Sets bis zu Tanzkursen an – jetzt eben über Facebook. Über den eigens eingerichteten Online-Shop bittet der Club um Spenden.
Das Harry Klein und die Krise
Wie die aktuelle Lage für einen Münchner Club während der Coronazeit konkret aussieht und wie die Zukunftsaussichten sind, erzählt Peter Fleming, Geschäftsführer des Harry Klein, im Interview.
M94.5: Seit fast 2 Monaten ist kein Betrieb mehr, Löhne und Miete müssen aber weiter gezahlt werden. Kannst du die aktuelle Situation ein bisschen zusammenfassen?
Fleming: Wir haben am 12.3. beschlossen, dass wir den Club schließen. Aufgrund des Drucks von außen und auch, weil es das war, was wir uns moralisch zumuten konnten. Wir haben uns jeden Tag besprochen und dann gesagt: Ok, wir können nicht länger auflassen. Und dann war natürlich die große Frage: Wie geht’s weiter?
Und wie ging es weiter?
Als Allererstes mussten wir dann Ende März erstmal 40.000 Euro überweisen. Löhne für Festangestellte, Miete, Versicherung, Vorauszahlung an die Stadtwerke – Fixkosten also. Am 1.4. waren wir auch gezwungen, unser Personal in Kurzarbeit zu schicken, weil wir einfach keine Arbeit mehr haben, der Club ist zu. Durch die Kurzarbeit senken sich die Kosten wieder ein bisschen, aber trotzdem sind es über 25.000 Euro pro Monat, die wir erstmal bezahlen werden.
Wie sieht es mit staatlichen Hilfen aus?
Die Soforthilfen haben wir vor drei Wochen beantragt, die sind noch nicht da und wir warten darauf. Aber unsere große Frage ist: Wenn ich jetzt diese Soforthilfe bekomme und ich muss sie dann direkt an den Vermieter weiterschicken, ist das denn dann so richtig? Wie soll man da weiter verfahren? Es gibt auch die Möglichkeit, dass man sich Kredite über die KfW holt. Wie hoch sollen die dann sein? Muss ich warten, bis es ein gesetzliches Urteil gibt? Muss ich irgendwann vor Gericht gehen mit einem Vermieter, um irgendwie etwas zu erzwingen? Wie lange dauern solche Prozesse? Du bist erstmal völlig im Unklaren und da kommt von der Staatsregierung leider erstmal nichts.
Wie seid ihr auf die Idee mit den Streams gekommen?
Während es jetzt zum Stillstand kam und wir schließen mussten, fragt man sich natürlich: Wie machen wir weiter? Ich habe dann ein paar Leute, die sich mit der Technik auskannten, kontaktiert und gefragt, ob wir was auf die Beine stellen könnten. Damit wir das Harry Klein bei den Leuten in Erinnerung behalten können, aber auch, damit wir die Leute weiter unterhalten können. Denn die sitzen zu Hause, können nicht raus, aber waren ja vielleicht doch oft im Club oder stehen zu dieser elektronischen Szene.
Aktuell produziert ihr viermal die Woche selbst eure Streams. Es sieht so aus, als wäre der Club ganz normal offen und jeden Tag gibt es anderes Programm. Wie ist trotzdem für euch anders?
Ich habe jetzt quasi keinen Club mehr, sondern ich habe ein Aufnahmestudio, in dem ich Programm mit vielen Münchnern Künstlern streame. Auf der einen Seite ist man natürlich mega traurig und macht sich Gedanken über die Zukunft. Auf der anderen Seite ist man kreativ und versucht, aus dem Problem etwas Gutes zu machen.
Wie kommt das bei den Künster*innen an?
Es kommt sehr gut an. Die freuen sich total, sowas zu machen, weil man die Videos auch jederzeit abrufen kann. Wenn ich heute einen Stream habe, der am Abend vielleicht 2.000 Aufrufe hatte, dann hat er meistens nach einer Woche oder 10 Tagen doppelt so viele Aufrufe. Das heißt, die Leute gucken sich das im Nachhinein auch noch an oder können es immer wieder anschauen.
Gerade viele kleine DJs haben dadurch ja vielleicht sogar ein größeres Publikum als vorher.
Klar, gerade für die lokalen Künstler, die bisher oft nie so im Fokus standen, weil sie sich neben einem größeren Act beweisen mussten, ist das super. Die haben jetzt natürlich von uns eine größere Aufmerksamkeit und ich finde schon, dass das wirklich auch das Harry-Klein-Programm gut widerspiegelt. Weil neben den großen Acts an Freitag und Samstag der Großteil bei uns tatsächlich auch immer Münchner Künstler sind.
Aktuell ist nicht bekannt, wann die Clubs wieder aufmachen dürfen.
Also zunächst mal ist die Aussicht, wann wir wieder öffnen können, sehr düster. Wenn wir der Politik folgen, dann sind wir genau das Gegenteil von dem, was man bei einer möglichen Lockerung der Ausgangsbeschränkungen je erwarten kann. Im Club trifft man sich, ist eng miteinander, da kann man keine Abstände einhalten. Deswegen glauben wir ganz realistisch nicht, dass wir vor Ende des Jahres wieder öffnen können. Und wie das Ganze dann in sechs Monaten oder auch acht Monaten sein wird, trauen wir uns heute gar nicht einzuschätzen.
Was kann man aus dieser Zeit für die Zukunft mitnehmen?
Es gibt etwas Positives, das wir auch erreichen: Dass wir unsere Münchner Künstler nochmal besser kennenlernen. Es ist eben auch total wichtig, welch große Solidarität sie uns zeigen, dass sie auch immer wieder kommen und diese Streams machen. Und man lernt da sicher dazu. Also wenn mich mal jemand fragt: „Hey, können wir einen Livestream machen?“, dann sage ich einfach: „Ja!“ Weil ich jetzt weiß, ich habe das gelernt und zwar richtig und ordentlich.
Das Harry Klein könnt ihr auch über einen Soli-Shop unterstützen. Im nächsten Monat findet zum zehnten Mal das Mary Klein Clubfestival statt, bei dem einen Monat lang unter dem Motto “Frauen an die Decks” Künstlerinnen die Chance gegeben wird, diesmal natürlich per Livestream, im Harry aufzulegen. Bis zum 31. Mai findet dabei noch der Mary Klein DJ Contest statt, über den sich interessierte Künstlerinnen bewerben können.