Kommentar
Affäre mit Folgen
Jedem, der in den letzten Tagen die Affäre um Claas Relotius verfolgt hat, stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie konnte es niemandem innerhalb des SPIEGELs auffallen, dass populäre Artikel eines Redakteurs teilweise erfunden und erlogen sind? Wie konnte er damit durchkommen, wo er doch teilweise noch nicht einmal die Orte innerhalb seiner Artikel besucht oder mit den zitierten Leuten gesprochen hat? Wie können SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung und die anderen großen Tageszeitungen je wieder an Kredibilität gewinnen? Neben diesen Fragen geht mir als junger Journalist besonders eins nicht aus dem Kopf: Was bedeutet das für meine Zukunft? Denn, um es klar auszudrücken, fühle ich mich einfach nur verarscht. Das Gefühl, wenn man selbst jeden seiner Artikel investigativ recherchiert und sämtliche Fakten dreifach überprüft, während ein Märchenerzähler von einem Journalist als Genie betitelt und mit Preisen überhäuft wird, ist mehr als niederschmetternd.
Die Konsequenzen, die der Skandal noch für Jahre für die deutsche Printbranche haben wird, machen mir genauso Sorgen wie das Misstrauen, das aus der Bevölkerung jetzt der gesamten Mainstream-Presse entgegenschlägt. Denn den Wut-Bürgern und AfD-Politikern dieses Landes spielt der Skandal perfekt in die Hände, um ihre ewigen Vorwürfe gegen die “Lügenpresse” endlich als bestätigt zu sehen. Ob sich der SPIEGEL aus dieser Farce noch mal retten kann, bleibt abzuwarten. Dass sich der Journalismus in Deutschland auf die nächsten Jahre stark verändern wird und verändern muss, ist aber fraglos.
Die Seriosität, Qualität und Integrität für die Zeitungen wie der Spiegel mal standen, muss wieder hergestellt werden. Und diese Veränderung hängt nicht etwa von den alteingesessen Autoren, sondern von uns jungen ab, die jetzt klare Zeichen gegen falsches Vertrauen, fahrlässiges Faktenprüfen und journalistische Überheblichkeit setzen müssen. So bringt diese Zäsur für den aufstrebenden Journalismus, zu dem Relotius mit seinen 33 Jahren selbst gehörte, auch die Aufgabe, das Image der deutschen Wochen- und Tageszeitungen zu retten oder wenigstens wieder vertrauenswürdig zu machen.