Filmklassiker der Woche
Adams Äpfel
Es ist nicht leicht zu verdauen, was Anders Thomas Jensen den Zuschauer*innen in seiner Groteske Adams Äpfel zumutet: Ein Pfarrer mit Realitätsverlust will einen Neonazi mit Apfelkuchen resozialisieren. Wenn nur der Teufel dieses Vorhaben nicht sabotieren würde.
Neonazi Adam (Ulrich Thomsen) landet für seine Resozialisierung nach einem Gefängnisaufenthalt mitten in der dänischen Provinz. Sein Bewährungshelfer, der überidealistische Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen), gibt ihm eine einfache Aufgabe – er soll einen Apfelkuchen backen.
Es folgen unerklärliche Zwischenfälle: Würmer und Krähen dezimieren die Apfelernte. Ein Gewitter zerstört den Apfelbaum. Der Backofen gibt den Geist auf. Und Adam zweifelt langsam, ob an Ivans Wahnvorstellungen nicht doch etwas dran ist – könnte der Teufel etwas gegen Apfelkuchen haben?
Mit völligem Realitätsverlust für eine bessere Welt
Drehbuchautor und Regisseur Jensen schafft haarsträubend komische Situationen durch die bizarre Konstellation seiner Charaktere. Adams Mitbewohner sind ein Bankräuber aus einem nicht näher definierten arabischen Land und ein alkoholkranker Kleptomane/Sexualstraftäter. Der wortkarge Neonazi merkt schnell, dass der Pfarrer völlig den Bezug zur Realität verloren hat. Sämtliche Katastrophen tut er als schlichte Versuchungen des Teufels ab. Sein Weg zu einer besseren Welt besteht darin, Probleme konsequent zu ignorieren. Dabei hat keiner seiner Schützlinge Fortschritte gemacht. Sein Kind ist schwerbehindert. Seine Frau hat sich das Leben genommen. Und er selbst leidet an einem inoperablen Gehirntumor im Endstadium. Das sieht Adam als Herausforderung – er will Ivan mit der Realität konfrontieren, gegebenenfalls mit Gewalt.
Grotesk und von Pastoren empfohlen
Anders Thomas Jensen war schon für die Drehbücher zu den Indie-Klassikern In China essen sie Hunde und Dänische Delikatessen verantwortlich. Auch hier bricht er Klischees mit phantastischen, grotesken und politisch inkorrekten Mitteln. Das Etikett einer “schwarzen Komödie” hat Adams Äpfel mehr als verdient. Eigentlich bräuchte der Film eine Triggerwarnung für zartere Gemüter. Bei der Ungezieferbekämpfung werden sowohl Krähen als auch eine Katze aus dem Apfelbaum geschossen. Ein Arzt schwatzt genüsslich über Kindesmissbrauch. Und mehr als einmal steht der Pfarrer an der Schwelle des Todes, weil sein pathologischer Glaube an das Gute seine Mitmenschen zur Weißglut bringt.
Das Lexikon des Internationalen Films attestiert Adams Äpfel, dass er zum “Nachdenken anregt, weil er eindimensionale Weltbilder hinterfragt und für Vielfalt und Menschlichkeit gegen alle Widerstände und Vorurteile plädiert”. Die Story, die von der Geschichte Hiobs im Alten Testament inspiriert ist, wurde übrigens nicht als ketzerisch eingestuft. Immerhin hat Adams Äpfel unter anderem den Kulturpreis der dänischen Pastoren erhalten.
Adams Äpfel ist über Amazon zu streamen.