Kommentar

Abwerben statt Ausbilden – Söders Pläne für den West-Balkan 

/ / Bild: M94.5 / Simon Fischer

Frische Fachkräfte aus dem Balkan möchte Markus Söder nach Bayern holen. Doch der Brain Drain schadet den Ländern enorm – ein Kommentar von David Mindermann

Markus Söder plant, dem Fachkräftemangel mit einer sogenannten “Fast-Lane” zu begegnen. Frei interpretiert, klingt das nach einer Pipeline für Arbeitskräfte vom Balkan in den Freistaat. Das Abwerben von Fachkräften in armen Ländern ist allerdings aus verschiedenen Gründen der falsche Weg. 

Anstatt den Fokus darauf zu legen, endlich die Asylbewerber:innen in Bayern für den Arbeitsmarkt zuzulassen oder die Ausbildung in Bayern zu fördern, setzt Markus Söder lieber auf fertig ausgebildete Fachkräfte aus dem Balkan. Klar: Es ist einfacher, Leute nicht selbst auszubilden. Doch zynisch erscheint es doch, den eigenen Asylbewerber:innen das Arbeiten nicht zu erlauben, um dann in Albanien und Bosnien auf Abwerbe-Tour zu gehen.  

Söders Strategie verschärft Brain Drain  

Darüber hinaus verschärft die Strategie Söders die ökonomischen Probleme der Balkan-Staaten. Es ist ganz einfach: Die Ausbildung der Fachkräfte kostet das entsprechende Land Geld. Arbeitet die Fachkraft im eigenen Land und zahlt Steuern, ist die Ausbildung eine Art Investition in die Zukunft. Wenn die Fachkraft nach der Ausbildung abwandert, hat das Land dagegen nichts davon. In Albanien herrscht sowieso schon enormer Fachkräftemangel. In dem von Söder als Fachkräftelieferant geplanten Land lag die Auswanderungsrate vor Corona bei knapp 42 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wie soll bei so einem Schwund eine gesunde Wirtschaft entstehen? Diese Abwanderung zusätzlich zu befeuern, ist unverantwortlich. 

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Weitere Informationen
Tweet von Markus Söder

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama, der mit Söder verhandelt hat, erhofft sich laut eigener Aussage einen beidseitigen Effekt. In Bayern ausgebildete Arbeitskräfte könnten ein Mehrwert für Albanien darstellen. Historisch gesehen verzeichnet die West-Balkan-Region allerdings ein erhebliches Minus durch abgewanderte Arbeitskräfte. Auf 200 Milliarden Euro hat der Wirtschaftswissenschaftler Federico Fubini den Braindrain zwischen 2009 und 2017 geschätzt. 

Albaner:innen locken, eigene Asylbewerber:innen ignorieren 

Bayern spart sich mit der “Fast Lane” also die Ausbildungskosten, wälzt sie aber eigentlich nur auf die sowieso schon ärmeren Länder des Westbalkans ab. Gleichzeitig versauern die Asylbewerber:innen in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis.

Mit Blick auf die verschärfte Mangellage in Bayern ist es nicht zu erklären, dass, die Asylbewerber:innen die immergleichen bürokratische Hürden nehmen müssen. Währenddessen fährt Markus Söder in den Balkan, um die dort dringend gebrauchten Fachkräfte nach Deutschland zu locken. Abwerben im Ausland und die Augen vor der eigenen Bürokratie verschließen — ein Königsweg sieht anders aus.