Buchkritik

Bright New Novel

/ / Bildquelle: Bastei Luebbe

Als “Bright Young Man” wurde Ted Bundy vor Gericht bezeichnet – der Serienmörder, der in den 1970er Jahren in den USA zahlreiche Frauen ermordete. Bis heute hält die Faszination für seine Person an. Aber was ist mit den Frauen, deren Leben durch seine grausamen Verbrechen beendet oder tief erschüttert wurden? Ihnen widmet sich Jessica Knoll in ihrem Roman “Bright Young Women”. 

Exzellent charakterisiert

Erzählt wird der Roman aus den Perspektiven von Pamela und Ruth. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein: Pamela ist eine Overachieverin, die unter enormem Druck steht. Ruth hingegen ist zutiefst verunsichert und muss sich von ihrer Familie freikämpfen. In ihren Kapiteln taucht immer wieder ein böser Humor auf, wie bei ihrem Besuch bei einer Selbsthilfegruppe. 

In der siebzehnten Woche ist das Baby so groß wie eine Rübe. Meine Schwägerin hatte mir das erzählt; mir persönlich könnte das Thema Schwangerschaft nicht egaler sein. Die Frau mit den geschlitzten Nasenlöchern hatte eine Rübe verloren und ich meinen Vater, der mich zum Debüt des Frauen-Eisschnelllaufs bei den Olympischen Winterspielen in Squaw Valley mitnahm, als ich neun war. 

Jessica Knoll – “Bright Young Women”

Das Bindeglied zwischen den beiden Frauen ist Tina – nachdem Ruth ermordet wird, tut sie sich mit Pamela zusammen, der einzigen Zeugin bei weiteren Morden. Alle drei Frauen sind exzellent charakterisiert, ihre Verhaltensweisen und psychischen Empfindungen gehen tiefer, als man dies bei Romanfiguren für möglich halten würde. Dabei schreckt die Autorin nicht vor der Beschreibung düsterer Gedanken zurück. Ihre Beziehungen sind komplex und glaubhaft. Der Erzählstil macht sie alle trotz ihrer Fehler absolut liebenswert.  

Erstickender Sexismus

Die vorherrschende Diskriminierung von Frauen in den 1970er-Jahren wird im Roman schonungslos aufgezeigt. Es beginnt dabei, dass Frauen nicht ernst genommen werden, wie Pamela bei ihren Zeugenaussagen immer wieder erleben muss, und gipfelt in brutaler Gewalt gegen Frauen.

Es gab Männer, die ihre Fingerknöchel knacken ließen, während sie mir anvertrauten, was sie dem Angeklagten antun würden, wenn sie die Chance dazu bekämen, und dachten, es würde mir ein beruhigendes Gefühl geben. Dabei stellte ich lediglich fest, dass der Unterschied zwischen dem Mann, der Denise Gewalt angetan hatte, und den vielen Männern, die mir jeden Tag auf der Straße begegneten, gar nicht so groß war. 

Jessica Knoll – “Bright Young Women”

Alle drei Frauen haben die Misogynie internalisiert, gehen aber ganz anders damit um. Auch ihr Feminismus entwickelt und unterscheidet sich. Je mehr die Frauen aus ihrem vorgeschriebenen Rollen ausbrechen, desto verheerender sind die Reaktionen ihres Umfelds. Im Laufe des Romans entfaltet sich das Grauen immer mehr, indem Lesende mehr über die Vergangenheit der Frauen erfahren und die Suche nach dem Angeklagten fortschreitet. Das kann beim Lesen richtig wütend machen.  

Bildquelle: Bastei Luebbe

Bildquelle: Bastei Luebbe

Schwere 5-Sterne-Kost

“Bright Young Women” von Jessica Knoll ist ein spannender Roman mit starken Charakteren und einem gelungenen Aufbau. Die Kapitel springen zwar in der Zeit hin und her, greifen aber perfekt ineinander. Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass manche Sätze so kompliziert formuliert sind, dass sich deren Bedeutung auch nach mehrmaligem Lesen nur schwer entschlüsseln lässt. Dies wird aber von den Schockmomenten und der emotionalen Achterbahn aufgewogen, welche von der Lektüre ausgelöst werden können. 

Das Thema ist emotional belastend, es gibt aber keine sehr graphischen Gewaltszenen. Wer also damit umgehen kann, sollte unbedingt zu “Bright Young Women” greifen.  

Bright Young Women” von Jessica Knoll ist beim Eichborn-Verlag erschienen und kostet als Taschenbuch 18 Euro – in der Erstauflage sogar im exklusiven Farbschnitt.