Filmkritik
Wicked oder: Which Witch is which?
Unsere Redakteurinnen Antonia Lang und Megan Kreileder-Willis haben sich für die Filmfabrik Wicked im Kino angeschaut.
In der zauberhaften Welt von Oz ist Magie real. Hexen, Zauberschulen und sprechende Tiere sind dort Teil des alltäglichen Lebens. In diese magische Welt können wir im neuen Film Wicked voll eintauchen.
Der Regisseur Jon M. Chu ist mit mehr als 300 Millionen Dollar Budget für beide Wicked Filme gut ausgestattet. Neben den beeindruckenden Visual Effects wurden auch viele Teile der magischen Welt von Oz in echt aufgebaut. So zum Beispiel die Zauberschule Glizz, die die beiden Hexen besuchen. Die Kameraführung ist spektakulär und man fühlt sich, als würde man durch den Film fliegen – wie etwa beim Lied „Defying Gravity”, als die Kamera immer wieder um Glinda und Elphaba kreist.
Es wurde kaum etwas am Plot des Musicals verändert. Somit macht es auch Sinn, dass es zwei Filme geben wird. Akt 1 und 2 sozusagen. Auf den zweiten Teil können wir uns im nächsten Jahr freuen.
Ein Musical im Kampf gegen den Faschismus
Der Kernpunkt des Films ist seine Gesellschaftskritik. Wicked ist und bleibt eine Geschichte über den Kampf gegen den Faschismus. Im Film werden die sprechenden Tiere als Ursache allen Übels dargestellt. Es kommt zu Anfeindungen und Diskriminierung gegen die Tiere, die bislang ein Teil der Gesellschaft von Oz waren. Dieser Aspekt geht im Marketing leider oft verloren, da der Film hauptsächlich als Geschichte zweier Freundinnen vermarktet wird – obwohl der eigentliche Plot so viel tiefer ist.
Prominenter Cast
Außerdem gibt es einen prominenten Cast: von Popstar Ariana Grande (Glinda) bis hin zu einem Gastauftritt von Idina Mezel und Kristin Chenoweth, die in der Uraufführung des Musicals 2003 auf dem Broadway die beiden Hexen spielten.
Der Cast wirkt teilweise zu erwachsen, um glaubhaft College Studenten zu spielen. So zum Beispiel Jonathan Bailey, der mit seinen 36 Jahren den Studenten Prinz Fiyero verkörpert. Insgesamt überzeugt der Bridgerton-Star aber durch sein Schauspiel und die Tanz- und Gesangseinlagen.
Bei Cynthia Erivo (Elphaba) wird schon jetzt über eine mögliche Oscar-Nominierung spekuliert. Sie macht als Elphaba eine unglaubliche Charakterentwicklung durch. Von der unsicheren verletzlichen jungen Frau, bis hin zur mächtigen Hexe, die alles riskiert, um für ihre Werte einzustehen. Auch ihre Stimme ist beeindruckend. Vor allem bei dem Stück „Defying Gravity“, das als eines der anspruchsvollsten Musical Soli überhaupt gilt, überzeugt sie.
Ariana Grande beweist in ihrer Rolle als Glinda erstklassiges komödiantisches Timing und sorgt im Kinosaal für zahlreiche Lacher. Teilweise übertreibt sie es jedoch mit ihrer Comedy. Beispielsweise wirft sie ständig dramatisch den Kopf hin und her und lässt ihre Haare im Wind wehen, was unnatürlich wirkt.
EIN SPIEL MIT DEN GEGENSÄTZEN – WHICH WITCH IS WHICH?
Ein großer Teil des Marketings für den Film fokussierte sich auf die Gegensätzlichkeit von pink (Glinda) und giftgrün (Elphaba). Auch bei den Kostümen führte der Designer Paul Tazewell diese Unterscheidung weiter. Elphaba trägt zu Beginn des Films nur schwarz, zudem sind ihre Kleider streng hochgeschlossen und erinnern an Trauerkleidung aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Glinda ist hauptsächlich in pink gekleidet, und ihre Kostüme sind kürzer geschnitten, mit asymmetrischen Details und passenden Hüten und Schuhen. Ein wenig erinnert ihr Design an die Mode der 1930er Jahre. So scheint der Kontrast zwischen der biederen Elphaba und der modischen Glinda größer, da fast 50 Jahre zwischen den Epochen liegen, die die jeweiligen Kostüme inspirieren.
Ganz oberflächlich betrachtet sieht Glinda also aus wie die schöne gute Hexe und vor der grünen Elphaba erschrecken sich die Bewohner von Oz.
Doch im Verlauf der Geschichte fragt man sich immer mehr, wer hier eigentlich „wicked“ ist? Welche der beiden ist wirklich die böse Hexe? Elphaba, die sich zwar gegen den Zauberer auflehnt, aber für die Rechte der unterdrückten Tiere kämpft und sich nicht blenden lässt? Oder Glinda, die einfach der ungerechten Mehrheit folgen würden würde um ihre eigenen Ziele nicht zu gefährden?
Jon M. Chu ist mit Wicked eine sehr gute Neuauflage des Musicalklassikers gelungen. Der Film kann durchaus mit der Bühnenshow mithalten, was bei Musicalverfilmungen nicht immer der Fall ist. Der Film hat das Potenzial, ein neuer Lieblingsfilm zu werden, und eine große Fangemeinde wartet schon ungeduldig auf Teil 2.