Das US-Journal
Er ist wieder da
Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl eindeutig gewonnen. Neben dem Präsidentenamt sicherten sich die Republikaner auch die Mehrheit im Senat. Wer die Mehrheit im Repräsentantenhaus erhält, bleibt jedoch offen (Stand: 8. November, 17 Uhr). Wie die Tage vor und nach der Wahl in Washington D.C. aussahen, hat M94.5-Redakteur Maximilian Sacher vor Ort beobachtet.
Washington D.C. ist nicht bereit für Donald Trump. Als Kamala Harris am Mittwoch zu ihren Unterstützer:innen an ihrer Alma Mater, der historischen schwarzen Howard University in Washington D.C., spricht, ist längst klar: Sie zieht nicht in das Weiße Haus. Harris gesteht ihre Niederlage gegen ihren republikanischen Kontrahenten Donald Trump ein. Sie gratuliert ihm. Anders als Trump 2020 zweifelt sie das Wahlergebnis nicht an.
Die Emotionen im Publikum sind: enttäuscht, frustriert, ängstlich. Menschen kämpfen mit Tränen. Eigentlich hätte Harris am Wahlabend ihre Siegesrede an der Howard University halten sollen. Doch dazu kam es nicht.
Eine Woche zuvor
Genau eine Woche vor der Wahl sprach Kamala Harris an einem symbolträchtigen Ort: auf der Ellipse, dem runden Wiesengelände vor dem Weißen Haus, wo ihr Kontrahent Donald Trump am 6. Januar 2021 den Sturm aufs Kapitol einleitete. Rund 75.000 Menschen versammelten sich dort, viele in Harris-Walz-Kappen, T-Shirts oder selbstgemachten, bunt kostümierten Outfits, meist in Rot, Weiß und Blau. Freiwillige verteilten Schilder mit „USA“-Aufdruck und kleine amerikanische Fähnchen an das Publikum, von denen einige seit dem frühen Morgen gewartet hatten. Sie wollten die Chance nicht verpassen, Harris live zu erleben – ausgerüstet mit Klappstühlen und Sonnencreme.
Schon am frühen Abend bildeten sich zwei lange Warteschlangen: Eine reichte vom Weißen Haus bis weit hinter das Washington Monument. Viele hofften, die Vizepräsidentin zumindest kurz aus der Nähe sehen und hören zu können, doch schnell wurde klar: Das würde schwierig. Wer es auf die Ellipse schaffte, hatte mindestens zwei Stunden auf den Einlass gewartet – behindert durch die strengen Sicherheitskontrollen, die den Flughafenstandards gleichkommen. Doch anders als an einem Flughafen hatten die Besucher hier die Hoffnung, etwas Historisches zu erleben. Es war ein symbolisches Bild: Die mögliche erste Präsidentin der Vereinigten Staaten auf der Ellipse, mit dem Weißen Haus im Hintergrund.
Euphorie lag in der Luft. Auf drei großen Tafeln stand „Freedom“ – der Titel des offiziellen Kampagnensongs von Beyoncé und Kendrick Lamar. Aus den Lautsprechern dröhnte der Song, als Kamala Harris die Bühne betrat und das Publikum mit „Amerika!“ ansprach. Ihre Rede wirkte wie ein Vorgeschmack auf eine mögliche Siegesrede. Das Publikum war bunt gemischt: Studierende, Senior, Arbeiter, Geschäftsleute. Eltern ließen ihre Kinder länger wach bleiben, damit sie die Vizepräsidentin aus nächster Nähe erleben konnten – wenn auch nur als kleine Gestalt in der Ferne, doch laut und klar aus den Lautsprechern. Nicht alle konnten dabei sein. Die D.C.-Kundgebung war überfüllt, der Andrang enorm – und die Stimmung eindeutig: Harris wird die Wahl gewinnen.
Der Tag der Wahl
Am Wahlabend herrschte vor dem Weißen Haus reges Treiben. Seit einigen Wochen kommen Touristen nicht mehr nah an das Gebäude heran, da Arbeiter:innen am Weißen Haus und am Kapitol Gerüste für die Amtseinführung des Präsidenten am 20. Januar 2025 aufbauen. Der Park vor dem Weißen Haus ist weiträumig abgesperrt, nur ein kleiner Bereich ist noch für die Öffentlichkeit zugänglich. Doch viel zu sehen gibt es nicht. Kamerateams suchen die besten Orte für ihre Live-Schalten, darunter auch das Team des ZDF. Washington-Korrespondent Elmar Theveßen ist gerade bei Markus Lanz auf Sendung und berichtet über den bevorstehenden Wahlabend. Ein älterer Deutscher stört die Übertragung, filmt das Geschehen mit seinem Handy ab und zeigt den Daumen nach unten. Ein Redakteur fordert ihn auf, aus dem Bild zu gehen, doch er ignoriert die Bitte und verschwindet erst nach einer Weile.
Auch das Team von Welt ist vor Ort. Die meisten Journalist:innen stehen an der Straße, da ein christlicher Aktivist mit zwei Holzkreuzen evangelikale Parolen in sein Mikrofon ruft. Er ist gegen Abtreibungen, die er als Sünde betrachtet, und unterstützt deshalb Donald Trump, den er als Präsidenten im Weißen Haus sehen will – „weil Gott es so will“, wie er betont. Mit dieser Meinung steht er in Washington D.C. jedoch ziemlich allein da. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2020 stimmten 92 Prozent der Bewohner:innen des District of Columbia für Joe Biden. Donald Trump ist in der Hauptstadt unbeliebt, selbst unter Republikanern. Bei den Vorwahlen stimmten fast zwei Drittel der Republikaner in Washington für Nikki Haley, die von Trump ernannte ehemalige UN-Botschafterin. Trump selbst erhielt nur 33 Prozent der Stimmen – genau 660. Offene Trump-Unterstützer sind selten; dafür sieht man zahlreiche Plakate und Merchandise-Artikel mit dem Harris-Walz-Slogan.
Zwei energische Frauen mit T-Shirts, die klare Botschaften tragen, stehen neben einem Evangelikalen. “Fuck the Fascists! Fuck the KKK! Fuck White Supremacists! Lasst sie ins Gefängnis bringen!” rufen sie im Chor. Die Stimmung ist aufgeheizt. Ein älterer Herr in einem fleckigen weißen Shirt läuft über den Platz und schreit: “Kill Trump!” Doch niemand scheint sich daran zu stören. Niemand ermahnt ihn. Einige Touristen werfen ihm erschrockene Blicke zu, wirken aber unbeeindruckt. Auch die Korrespondent:innen schauen nur weiter auf ihre Smartphones und Kameras, während Sicherheitskräfte aufmerksam das Geschehen verfolgen. Der Mann notiert etwas, bevor er schreiend in die nächste Straße verschwindet. Eine Drag-Queen kniet am Platz vor den Kreuzen. Vor ihr liegt eine zerrissene MAGA-Cap. Sie fürchtet Einschränkungen in den Rechten von Transpersonen. “Er und seine Unterstützer säen Hass,” sagt sie und möchte ein Zeichen setzen. Insgesamt ist die Stimmung vor dem Weißen Haus jedoch überraschend friedlich. Die meisten Menschen, darunter viele Touristen, beobachten das Geschehen nur verwundert, während sie auf die erste Bekanntmachung der Wahlergebnisse um 18 Uhr Ortszeit warten.
Der Wahlabend beginnt mit den ersten Ergebnissen aus Indiana und Kentucky. Bei einer Watch Party in einer Bar unweit des Weißen Hauses schenkt kaum jemand den Bildschirmen Aufmerksamkeit, auf denen MSNBC und Fox News gleichzeitig laufen. Um 19 Uhr folgen die ersten wichtigen Resultate aus den Bundesstaaten, darunter Georgia und Pennsylvania – beide noch zu knapp, um einen klaren Sieger zu verkünden. Überraschungen bleiben aus, da die Auszählung erst begonnen hat: Republikanische Staaten gehen an Trump, demokratische an Harris. Doch die Gäste der Watch Party wirken daran wenig interessiert und wenden ihre Aufmerksamkeit lieber Burgern und Pommes zu statt der Karte, auf der die Bundesstaaten in Blau, Rot und Weiß eingefärbt sind. Als Trump jedoch immer mehr Staaten für sich gewinnt, wird das Publikum aufmerksam; einige werfen besorgte Blicke auf die Bildschirme. Ein Paar verfolgt die Wahl auf einem Laptop und analysiert jedes County auf der Website der New York Times. “90 Prozent Trump! Wir gehen,” murmeln sie und stehen auf. Dann Breaking News von Fox News: Pennsylvania, der entscheidende Swing State mit den meisten Wahlleuten, geht an Trump. Langsam breitet sich Gewissheit im Raum aus – Donald Trump wird im Januar erneut ins Amt eingeführt. Kurz darauf erklärt Fox News Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten. In den folgenden Stunden ziehen andere Sender mit. Die Republikaner gewinnen deutlich die Wahlen.
Am Morgen erwacht Amerika in einer neuen Realität. Der Präsident, der am 6. Januar einen Staatsstreich versuchte, durchlief zwei Amtsenthebungsverfahren und wurde verurteilt. Mehrere Gerichtsprozesse laufen noch. Laut Aussagen seines ehemaligen Stabschefs John F. Kelly lobte er Adolf Hitler. Er verwendete xenophobe Rhetorik und behauptete, Joe Biden habe die Wahl 2020 nur durch Wahlbetrug gewonnen. Trotz alledem hat er mit deutlicher Mehrheit die Wahl gewonnen.
Auch deshalb zeigt sich Harris in ihrer Rede an der Howard University nach der Wahlniederlage kämpferisch und gefasst: „Das Wichtige ist: Gebt niemals auf.“ Die positive Energie müsse bewahrt werden. Nach der Rede kehren die Zuhörer:innen nach Hause zurück, doch die Straßen in DC sind verstopft – diesmal mehr als gewöhnlich an einem Mittwochnachmittag. Der Grund: Kamala Harris. Ihre Wagenkolonne, angeführt von Polizeimotorrädern und SUVs des Secret Service, blockiert die Straßen zwischen der Universität und Downtown. Der Verkehr fließt erst wieder, als Harris und ihr Team den Weg freigemacht haben. Passant:innen bleiben stehen und beobachten das Geschehen. Eine Frau bemerkt: „Vielleicht macht sie gerade eine letzte Sightseeing-Tour. So oft wird sie die Stadt wohl nicht mehr sehen.“ Harris selbst plant, der Politik treu zu bleiben – anders als der scheidende Präsident Joe Biden.
Kamala Harris geht in ihrer Rede an der Howard University nicht tiefergehend auf dieses Themen ein. Auch Joe Biden, der sich am Donnerstag an die Bürgerinnen und Bürger richtet, setzt weiterhin auf die Verfassung der Vereinigten Staaten. Der demokratische Amtsinhaber versprach, dass der Übergang von seiner Regierung zu Trump “friedlich und geordnet” verlaufen werde. Biden bedankt sich bei seiner Vizepräsidentin Harris und ihrem Team für ihre Unterstützung im Wahlkampf. Mit kämpferischer Haltung ruft Biden dazu auf, “jeden Tag zu nutzen”. Rückschläge seien unvermeidlich, doch Aufgeben komme nicht infrage. Direkt an die enttäuschten Anhänger der Demokraten gerichtet, erklärt der Präsident: “Eine Niederlage bedeutet nicht, dass wir besiegt sind.” Das sagt er bei strahlendem Sonnenschein im Rose Garden des Weißen Hauses.
Den letzten warmen Novembertag in Washington nutzte Biden, um versöhnlich zu der Nation zu sprechen. Ein Ton, der bei Donald Trump eher für Überraschung sorgen könnte. Trump wird ab dem 20. Januar 2025 wieder ins Weiße Haus einziehen, wenn der 78-Jährige als ältester gewählter Präsident in der Geschichte der USA sein Amt antritt.
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