Das US-Journal

Im Schlachtfeld von Pennsylvania

/ / Bild: M94.5 / Maximilian Sacher

In Pennsylvania könnte sich die diesjährige US-Präsidentschaftswahl entscheiden. Zu gewinnen: 19 Stimmen für das Electoral College. Kein anderer der sogenannten Swing States vergibt mehr. Für Harris und Trump steht hier eine Menge auf dem Spiel. Über die Stimmung in Pennsylvania berichtet M94.5 Redakteur Maximilian Sacher.

2020 konnte Joe Biden hier schon die Wahl für sich entscheiden, 2016 war es Trump. Pennsylvania ist ein Swing State, also ein US-Bundesstaat, bei dem unklar ist, ob die Demokraten oder die Republikaner die Mehrheit bekommen. Er ist weder traditionell demokratisch geprägt, wie der Blue State Kalifornien, noch republikanisch, wie der Red State Kentucky. Die Ergebnisse sind daher besonders knapp. Neben Pennsylvania gelten bei der diesjährigen US-Wahl Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina und Wisconsin als Swing State. Republikaner und Demokraten kämpfen hier mit ihren Kandidierenden Donald Trump und Kamala Harris um jede einzelne Stimme – auch in der größten Stadt Philadelphia.

Der Wahlkampf in Philadelphia

In Philly bin ich eigentlich, um mal aus Washington DC, mit seinem groß aufgezogenen amerikanischen Pathos, der durch die breiten Straßen und den üppig ausgestalteten Regierungsgebäuden zieht, zu entgehen. Mir ist schnell klar: Die Idee geht nicht auf.

Denn Philadelphia ist eng mit der Gründung der Vereinigen Staaten von Amerika verknüpft. In der Independence Hall, dem ehemaligen Parlamentsgebäude Pennsylvanias, lösten sich im Jahr 1776 die 13 Kolonien mit der Unabhängigkeitserklärung von den Briten los. 1783 unterzeichneten sie hier die Verfassung der Vereinigten Staaten. Aber die Einigkeit des Landes ist Geschichte. 

Ganz Philadelphia ist mit Wahlplakaten versehen – beinahe ausschließlich mit denen der Demokraten. An fast jedem der zierlichen Backsteinwohnhäuser hängen Harris & Walz Schilder, Kamala Harris Fahnen wehen anstatt der üblichen amerikanischen Flagge. Von Trump sehe ich nichts. Nur in Downtown auf einem alten Kaufhaus hängt eine riesige digitale Werbetafel. Auf ihr flimmert in Rot und Weiß “Vote 2024”. Daneben steht auf einer blauen Tafel: “Trump – Bringing Jobs to Pennsylvania”. Bei der letzten Wahl lag das Ergebnis in Philadelphia bei 81 Prozent für Joe Biden. Er holte hier mit Abstand die meisten Prozentanteile in Pennsylvania. Denn Demokraten sind in Städten meistens am erfolgreichsten. Den Eindruck bekomme ich auch bei meiner Straßenumfrage.

Wahlkampfwerbung von Donald Trump in Downtown Philadelphia Foto: M94.5 / Maximilian Sacher

Ich spreche zwei junge Studierende an, die vor dem Rathaus sitzen – beide kommen aus der Stadt. “Schlimm” sei der Wahlkampf. Harris bekomme ihre Stimme. Gegen eine erneute Präsidentschaft Trumps ist auch ein junger Mann aus Philadelphia. “Basierend auf der weniger erfolgreichen Präsidentschaft von Trump, würde ich Harris wählen”, sagt er mir. Dann läuft mir eine ältere Dame entgegen, auch aus Philadelphia. Auch sie bekennt sich:

Kamala! Die Zeit reicht mir wahrscheinlich gar nicht aus, alle Gründe zu nennen, warum ich sie wählen werde.

Sie muss aber weiter, denn: “Ich bin gerade auf dem Weg zum Rathaus, um dort meine Stimme für Kamala Harris abzugeben.” Ich möchte noch wissen, warum die Demokraten im Vergleich zum Land in den Großstädten Pennsylvanias, Philadelphia und Pittsburgh so stark sind. Diesen Stadt-Land-Kontrast erklärt sie mit: Pennsyltucky. Bewohner:innen aus den beiden Großstädten benutzen diesen Begriff mal humorvoll und mal despektierlich. Die Wortmischung aus Pennsylvania und Kentucky stellt die Landbevölkerung der Region um die Gebirgszüge der Appalachen als etwas rückständiger, konservativer und vor allem republikanischer dar. Laut der Menschen aus Philadelphia und Pittsburgh fühlt sich Pennsyltucky mehr wie der Süden an als “ihr” Pennsylvania. So erklärt sich die Dame, warum ihr Staat ein Swing State ist. In Pennsyltucky war ich ein paar Wochen zuvor.

In Pennsyltucky regiert Trump

Für einen Ausflug in der Natur übernachte ich in einer Kabine in den Appalachen. Mein Vermieter Steve aus Northern Virginia gehört dort ein kleines Haus. Der nächste Ort: McConnellsburg. Das ist der Hauptort von Fulton County. McConnellsburg ist von Osten nur durch Passstraßen zu erreichen, die sich über die Hügel schlingen. Auf den breiten Straßen ist genug Platz für die großen Pick-up-Trucks, die hier scheinbar jeder fährt. Ich fahre einen auf dem Land untypischen Kleinwagen. Am Ortseingang fällt mir sofort eine Flagge der USA auf. Eigentlich nichts Besonderes, schließlich hängen an fast jedem Haus die Stars&Stripes-Flaggen. Doch diese Flagge ist ungewöhnlich. Sie ist auf einem großen Stein platziert. Neben der Flagge steht auf einem Wahlkampfschild Trumps bekanntes Zitat nach dem Attentatsversuch: “Fight! Fight! Fight!” Die Schüsse, die ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung in Butler nur knapp verfehlten, fielen ebenfalls in Pennsylvania. Seitdem wird das Bild heroische glorifizierend auf T-Shirts, Poster und Flaggen gedruckt.

Das ist eine Vorwarnung auf das, was mich hier erwartet. Jedes Haus in den Straßen, die ich hier abfahre, hat Trump Schilder im Vorgarten stehen. Von Harris ist hier wiederum nichts zu sehen. Nur in der Hauptstraße in McConnellsburg haben die Demokraten in einem Eckhaus ein Büro. Es sieht verlassen aus – wie viele Häuser im Ort. Kein Mensch läuft durch die Straßen – nur ich. Nur Trucks fahren durch McConnellsburg. Viele der Ramsch-Geschäfte sind zu – bis auf einen Laden.

Politically Incorrect steht über dem Eingang. Im Angebot: Novelties & Tabak. Tabak ist wenig zu sehen, aber Cannabis. Sehr viel Cannabis. An einer Wand hängen die Novelties: Trump-Flaggen, mit den bekannten Slogans wie “MAGA”, “Vote Trump”, oder “Fight! Fight! Fight!” Die Verkäuferin ist high. Sehr high, aber aus der Gegend. “Das, was ich hier verkaufe, ist beliebt in Fulton County”, erklärt sie mir. Das ergibt Sinn, schließlich stimmten bei der letzten Präsidentschaftswahl 85 Prozent in diesem County für Donald Trump. McConnellsburg stand aber nicht nur wegen dieser Prozentzahl landesweit in der Presse. An einem Haus in der Hauptstraße hingen selbstgemalte Porträts von Jesus und Donald Trump. Hingen – jemand hat sie abgebaut. Generell wirkt McConnellsburg auf mich sehr verschlafen. Mir ist schnell klar, dass hier nur Trump als Präsident infrage kommt.

Manche Demokrat:innen wollen aber genau deshalb hier wählen gehen, auch mein Vermieter Steve. Er kann in Fulton County wählen, weil dort seine Hütte steht. “Die Demokraten brauchen da die Stimmen mehr als hier in Virginia”, erklärt Steve mir. Deshalb war er bei Wahlen als Wahlkampfhelfer in dem republikanischen County tätig. Von Tür zu Tür ging Steve und warb für die Demokraten. Sein Ziel für die diesjährige US-Wahl:

Ich möchte gewinnen!

Darauf hofft auch US-Senator Gary Peters aus Michigan. Er ist Vorsitzender des demokratischen Senatswahlkampfausschusses. Eine der Personen, die den Wahlkampf entscheidend mitbestimmt, denn auch sein Bundesstaat ist ein Swing State. Bei einer Pressekonferenz im National Press Club in Washington D.C. stelle ich dem Senator die Frage, wie die Demokraten ländliche Wahlbezirke wie Fulton County für sich gewinnen können. “Präsent sein hilft”, meint Peters. Ob das 2024 reicht, wird sich am 5. November zeigen. Denn wer Pennsylvania gewinnt, könnte die gesamte Wahl gewinnen.

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