Kommentar

Tablette statt Debatte: Wie Ärzten die Beratung zu leicht gemacht wird

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Die Pille – seit Jahrzehnten ein Symbol der sexuellen Freiheit und Selbstbestimmung. Trotzdem sind viele Frauen nicht zufrieden. Zu schnell wird sie verschrieben, zu wenig über die Konsequenzen aufgeklärt. Und das ist problematisch – nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für das Vertrauen in das Gesundheitssystem, findet Julia Fritz. Ein Kommentar.

Dass Ärzt:innen die Pille als universelles Heilmittel für gynäkologische Beschwerden sehen, passiert nicht selten. Unregelmäßiger Zyklus? Pille. Menstruationsschmerzen? Pille. Akne? Pille. Was dabei ignoriert wird: Die individuelle Situation und die damit verbundenen Bedürfnisse jeder einzelnen Frau.  

Als ich das erste Mal als junges Mädchen wegen hormonellen Problemen zum Frauenarzt gegangen bin, wurde mir als Erstes zur Lösung meiner Beschwerden, die Pille angedreht. Einfach so. Ohne jegliche Informationen über potentielle Risiken. Und das obwohl ein Blick in die Packungsbeilage reicht. Dort findet sich eine ellenlange Liste an Nebenwirkungen, die fast die Größe einer Rettungsdecke erreicht. Regelmäßige Kopfschmerzen, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen – all das sind mögliche Begleiterscheinungen. Diese Risiken sind nicht neu, und doch scheint die ärztliche Beratung oft an der Oberfläche zu bleiben. Der Fokus liegt häufig auf der schnellen Abhilfe bei jeglichen körperlichen Beschwerden und der Zuverlässigkeit der Verhütung – die möglichen negativen Auswirkungen auf den Körper und die Psyche werden jedoch heruntergespielt oder gar verschwiegen. 

NEGATIVE AUSWIRKUNGEN AUF DEN KÖRPER

Wie funktioniert die Pille?: Sie greift stark in den natürlichen Hormonhaushalt der Frau ein, indem sie den Eisprung unterdrückt – ein Eingriff, der für den Körper alles andere als “normal” ist. Der natürliche Menstruationszyklus ist ein wesentlicher Indikator für die allgemeine Gesundheit. Seine Unterdrückung kann langfristig zu schwerwiegenden Problemen führen. Dazu zählen unter anderem hormonelle Ungleichgewichte und eine verzögerte Rückkehr zur natürlichen Fruchtbarkeit nach dem Absetzen der Pille. Diese Folgen werden bei der Verschreibung oft nicht ausreichend thematisiert, obwohl es entscheidend ist, zu verstehen, was im Körper vor sich geht und welche Konsequenzen damit verbunden sein könnten.

DIE ÄRZTE MACHEN ES SICH LEICHT

Das Problem mit der schnellen Verschreibung der Pille liegt nicht nur in der fehlenden Aufklärung, sondern auch darin, dass es für Ärzt:innen schlichtweg die bequemste Lösung ist. Statt sich die Zeit zu nehmen, die individuellen gesundheitlichen Bedürfnisse der Patientin zu analysieren und alternative Verhütungsmethoden oder Behandlungsmöglichkeiten zu diskutieren, greifen viele einfach zur Standardlösung: der Pille. Bequemlichkeit – diese Zeitersparnis und Effizienz führt dazu, dass Frauen zu Entscheidungen gedrängt werden, die langfristige Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben können. Das ist besonders problematisch, weil laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 80% der Befragten ihre Frauenärzt:in als wichtigste Informationsquelle für ihre angewendete Verhütungsmethode benennen. 

DIE PILLE IST NICHT DIE EINZIGE VERHÜTUNGSMETHODE

Wenn über Verhütung gesprochen wird, muss auch über alternative Möglichkeiten gesprochen werden. Es gibt nicht die eine Lösung für alle, und es sollte auch nicht die Pille sein, die als Standardlösung für jede Frau gilt. Hormonelle Verhütung ist eine Option – aber eben nur eine von vielen. Die Pille darf nicht verschrieben werden, ohne dass sie sich bei einem ausführlichen und individuellen Beratungsgespräch als beste Verhütungsmethode herauskristallisiert hat. Ärzt:innen müssen sich die Zeit nehmen und Frauen mit dieser – sowieso schon schwierigen – Entscheidung auf rein subjektiver Ebene helfen. Und das ohne, einfach aus der Bequemlichkeit heraus, die Pille zu verschreiben.