Ein Portrait
J. D. Vance – Vom ‚Never Trumper‘ zu Trumps Vizepräsident
Mit J. D. Vance zieht Donald Trump in den US-Wahlkampf. Der Senator aus Ohio ist sein running mate, dabei war er nicht immer sein größter Fan.
J. D. Vance wirft einige Fragen auf. Wie kann ein Politiker, der Trump zuvor so verurteilte, nun sein größter Befürworter werden? Und welche Motivation und Beweggründe stecken dahinter? Um das zu verstehen, hilft es, einen Blick in seine Vergangenheit zu werfen.
Ein amerikanischer Traum
James David Vance, kurz J. D. Vance, wuchs in der ältesten und größten Industriestadt der USA auf, Rust Belt City (Ohio). Er wurde von seiner Großmutter aufgezogen, da seine Mutter lange drogenabhängig war. Aus diesen Verhältnissen kämpfte sich Vance heraus, ging zur Marine, studierte später Jura an der Yale Law School und ist Unternehmer im Silicon Valley. Der klassische amerikanische Traum.
Über seinen Lebensweg schrieb er 2016 ein Buch: „Hillbilly Eligy“, zu deutsch etwa “Hinterwäldler”. Der Bestseller, der auch verfilmt wurde, gibt einen Einblick in sein Leben und die Gesellschaftsschicht, die Trump 2016 den Wahlsieg ermöglichte. Er erzählt seine Lebensgeschichte aus der Perspektive eben genau dieser Menschen, die in den deindustrialisierten Bundesstaaten, wie seinem Heimatstaat Ohio, nicht nur in ökonomischer Armut, sondern auch mentaler Hoffnungslosigkeit leben. Die Menschen, die von der alten republikanischen Partei nicht berücksichtigt wurden. Und genau dieses Versäumnis habe Trump erkannt und in den Wahlen für sich genutzt, so Vance. „Hillbilly Eligy“ wurde von der New York Times zu einem der sechs Bücher ernannt, die in der Lage seien, den Wahlsieg Trumps erklären zu können. Zu diesem Zeitpunkt bezeichnet er Trump immer noch als einen moralisch verwerflichen Menschen und als:
Nachdem Trump 2016 die Wahl gewinnt, geht Vance zurück in seine Heimat Ohio und gründet dort eine Wohltätigkeitsorganisation, die Opioide bekämpfen soll, hält Vorträge und ist immer öfter zu Gast bei der Lincoln-Dinner-Veranstaltung der Republikaner. Hier legt er den Grundstein seiner politischen Karriere. Als 2021 schließlich ein Senatssitz in seinem Heimatstaat Ohio frei wird, bewirbt er sich für die Republikaner und bekommt von Trump Rückendeckung. Er gewinnt.
Der Sinneswandel
Nur wenige Jahre nach seiner Buchveröffentlichung wandelte sich Vance vom „Never-Trump“-Anhänger zu einem der treuesten Verbündeten des ehemaligen Präsidenten. Schon zu Beginn des Jahres soll Vance schließlich eine sehr persönliche Beziehung zu Trump aufgebaut haben. Dadurch, dass er Trump bereits im Januar 2023 unterstütze und damit vor vielen anderen Parteigrößen, sei als wichtiger Loyalitätsbeweis aufgefasst worden. Außerdem ist Vance mit dem Sohn Donald Trump Jr. befreundet.
Nachdem Trump Vance zu seinem running mate bestimmte, spielten die Beiden die harte Kritik Vances von früher runter. Jetzt sagt Vance, Trump sei der beste Präsident, den er je gesehen habe und er hätte wie kein anderer die Korruption in den USA aufgedeckt.
Politisch stimmen Trump und Vance nun überein. Auch der 39-Jährige gilt politisch als Hardliner. Seine Einstellungen sind aber noch extremer als die von Trump. Er ist gegen das Recht auf Abtreibung, gegen die finanzielle Unterstützung der Ukraine, übernimmt eher eine prorussische Position, verharmlost den Sturm aufs Kapitol und ist der Meinung, dass Trump 2020 der Wahlsieg geklaut wurde. Und auch in einem Interview mit NBC auf die Frage, ob er denn den Ausgang der kommenden Wahl akzeptieren werde, antwortete er eher ausweichend: Sie würden die “verfassungsmäßigen Verfahren” nutzen, sollte es aus ihrer Sicht Probleme geben.
Vance die Bulldogge
Immer wieder erregt Vance auch stark Aufsehen mit seinen Statements – sei es in Interviews, in denen er “childless catladys” beleidigt oder auf den sozialen Plattformen. So hat er, anstatt wie andere Politiker:innen zu Einigkeit im Land aufzurufen, dem amtierenden US-Präsidenten persönlich eine Mitschuld an dem Attentat auf Trump in Pennsylvania gegeben. Die gesamte Wahlkampagne Bidens sei darauf ausgerichtet, Trump als autoritären Faschisten hinzustellen, den man stoppen müsse, schreibt er auf der Plattform X.
Durch sein Auftreten wird Vance in den US-Medien bereits als “Bulldogge” bezeichnet, also ein Vize, der für Trump in die Bresche springen werde – komme da, was wolle.
Eine Frage der Werte?
Viele Demokrat:innen und auch Kritiker:innen sehen Vance als ein „politisches Chamäleon“, das Moral unter das Streben nach Macht ordnet. Während ihm Kritiker politischen Opportunismus vorwerfen, begründet er selbst seinen Wandel mit der vermeintlichen Radikalisierung der linken Parteien. Auch habe ihm der katholische Glaube geholfen sich vom Atheismus sowie der akademischen Bildung zu emanzipieren. Eben dieser, die ihm zu seinem amerikanischen Traum verhalf.
Der nächste Vize?
Sollte Trump im November die Wahl gewinnen, wäre Vance mit seinen dann 40 Jahren einer der jüngsten Vizepräsidenten in der US-Geschichte. Im Wahlkampf soll er sich für die Republikaner vor allem auf die Arbeiter:innen und Farmer:innen der Bundesstaaten Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Minnesota sowie aus seinem Heimatbundesstaat Ohio gewinnen. Befürworter Vance sehen ihn auch als die Zukunft der Republikaner und Trumps MAGA-Bewegung.
Ob er genauso “scharf” gegen seinen Kontrahenten Tim Walz schießt, wie Trump gegen Harris, das sehen wir am 1. Oktober 2024 im TV-Duell.
Mehr Details zum Wahlkampf hört ihr in unserem Podcast Ballot Box Breakdown. Hört rein!