Bild: Shutterstock / Zack Frank

US-Präsidentschaftswahlen

Der Umzug steht vor der Tür

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Am 5. November fällt die Entscheidung: Wer zieht ins Weiße Haus ein – Donald Trump oder Kamala Harris? Die Spannung steigt. Grund genug, in der direkten Nachbarschaft des Amts- und Wohnsitzes des US-Präsidenten nach der Stimmung zu fragen. Von der National Mall in Washington D.C. berichtet M94.5-Redakteur Maximilian Sacher.

5.100 Quadratmeter, 132 Zimmer, 35 Badezimmer, aufgeteilt auf sechs Stockwerke, mit Tennisplatz, Bowlingbahn, Kino und 5 Köchen. Um diese Immobilie geht es dieses Jahr. Das Objekt der Begierde ist: das Weiße Haus. 

Als ich Mitte August zum ersten Mal durch Downtown Washington D.C. spazierte, war ich überrascht, die Stadt so offen zu sehen. Besucher:innen kommen wieder nah an Regierungsgebäude wie das Kapitol und das Weiße Haus heran. Als ich 2022 das letzte Mal in D.C. war, sah das noch ganz anders aus.

Damals war Pandemie: Masken, die Männer in Anzügen unkenntlich machten. Massig Absperrungen, die einen weiteren Sturm auf das Kapitol verhindern sollten. Washington war damals leer und verschlafen. Die großen grau-weißen Regierungsgebäude wirkten kalt. Jetzt scheint das Kapitol wieder einfacher zu stürmen zu sein. Bewaffnet bin ich nur mit meinem Mikrofon und an keinen Sturm aufs Kapitol interessiert.

Ein Umzugswagen der Firma U-Haul steht vor dem Weißen Haus. Bild: Maximilian Sacher

Frieden vor dem Weißen Haus

Auf dem Lafayette Square vor dem Weißen Haus tummeln sich die Leute. Touristen machen grinsend Fotos, unterhalten sich mit den Secret Service-Leuten und kaufen ein eiskaltes, zu zuckriges Kaltgetränk für nur einen Dollar. Alles wirkt friedlich. Nur ein Fahrzeug vor dem Weißen Haus weist darauf hin, dass etwas bevorsteht. Vor der Tür steht ein U-Haul Truck. Das ist ein für amerikanische Verhältnisse kleiner Lastwagen, den jeder mieten kann, der umzieht, auch Präsident Joe Biden. Viele Menschen fotografieren den Truck, sowohl Menschen mit roter Trump-Cap als auch Harris-Unterstützer:innen mit blauen Shirts. Auch Straßenverkäufer:innen verkaufen beides, billige Harris- und Trump-Souvenirs, selbstverständlich nicht offiziell. Auf einem Shirt ist Kamala Harris schon am Schreibtisch im Weißen Haus zu sehen. Auf einem anderen hebt Trump siegreich seine Faust. Es ist dieses bekannte Motiv, das kurz nach seinem Attentat entstand. Fight! Fight! Fight! steht dort drauf. Die meisten Leute gehen ohne einen Blick auf das Angebot an den Ständen vorbei. In Washington gibt es schließlich noch mehr zu entdecken. Um das Weiße Haus wirkt alles idyllisch. Doch ein kurzer Gang über die Mall zum Washington Monument, diesem hohen Obelisken machte mir klar – nein, so friedlich ist es gar nicht. 

Das Washington Monument steht in der Mitte der National Mall. Bild: Maximilian Sacher

Ich bin mit meinem M94.5-Mikrofon für unseren Podcast Ballot Box Breakdown unterwegs. Ich frage einen Herren mit Bauch und Cap in Tarnmuster, was er von der anstehenden US-Präsidentschaftswahl hält. Er antwortet direkt:

Die Wirtschaft war unter Trump besser. Die Demokraten können nichts. Mir ging es vor vier Jahren besser, deshalb Trump 2024.

Auch die nächsten Besucher:innen, die ich interviewe, bekennen sich aus ähnlichen Gründen zu Trump. Viele sind unzufrieden mit der wirtschaftlichen Lage in den USA. In den letzten Jahren nach der Corona-Pandemie seien die Preise für Lebensmittel dermaßen angestiegen, dass die Menschen um ihre Existenz bangen. Trump versucht, mit dieser Unzufriedenheit Stimmung gegen die Biden-Regierung zu machen.

Anders sieht das eine junge Studentin. Kamala Harris bekommt ihre Stimme, weil sie Themen wie Frauenrechte, Abtreibung und Immigration anspricht. Nach der Gerichtsentscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2021 ist das Recht auf Abtreibung nicht mehr geschützt. Viele republikanische Bundesstaaten haben seitdem den Zugang zu Abtreibungen stark eingeschränkt. Frauen müssen für Abtreibungen in andere Bundesstaaten reisen. Die Sorge der Demokraten ist, dass bei einem Wahlsieg Trump ein nationales Verbot erlassen könnte. Gesagt hat er das nicht, aber auch nicht ausgeschlossen. So wie ihr geht es den meisten jungen Frauen, mit denen ich an diesem Tag spreche.

Rassismus vor dem Lincoln Memorial

Der nächste Befragte ist etwas überfordert. Er schaut hektisch zu seiner Frau und meint, dass er wohl Harris seine Stimme geben wird. Wieso, weshalb, warum, weiß er auch nicht so genau. Washington mag er aber gerne, aber nicht wegen der Politik. Ist ja auch schön, wegen der ganzen Denkmäler. Ich mache mich auf zum Lincoln Memorial. Washington hat seine Denkmäler um das Regierungsviertel aufgebaut. Der große Lincoln sitzt, wie Zeus in einem weißen Marmortempel. In der prallen Sonne davor ist eine ältere Dame auf einem Scooter. Ihr Mann deutet auf das Denkmal, das momentan restauriert wird. Ein Bauzaun ist um eine Seite des Treppenaufgangs geschwungen. Auch von den beiden möchte ich wissen, wen sie wählen. “Trump”, sagen sie. Der Ton wird schärfer.

Sie behaupten, Harris habe sich hoch geschlafen, um Präsidentin zu werden. Trump hat diese falsche Aussage kürzlich auf seinem Netzwerk Truth Social verbreitet. “Trump war schon Präsident, da wissen wir, was wir bekommen. Wir möchten einen starken Präsidenten.” Ob sie damit einen Präsidenten meinen, der mehrere Ehen, Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar zahlen ließ und diese fälschlicherweise in Geschäftsunterlagen angab, um seine Präsidentschaftswahl 2016 zu beeinflussen? Hören wollen sie das nicht, darauf antworten auch nicht. Die Dame ist stolz, dass sie sich ihre eigene Karriere aufgebaut hat. Aber dass jetzt Frauen Präsidentinnen werden wollen, sei nicht in Ordnung. Damals, in den 1970er Jahren waren Frauen noch zu Hause in der Küche. Als mein Mikrofon aus ist, muss sie noch etwas über Afroamerikaner loslassen. Die Demokraten ließen Afroamerikaner extra in Armut leben, um sich den Black Vote zu sichern. Dann ist das Gespräch vorbei, sie müssen weiter. Zurück bleibt ein Hauch von Rassismus. Dort wo einst Martin Luther King Jr. seine bekannte “I have a Dream” Rede hielt. 

Am westlichen Ende der National Mall steht das Lincoln Memorial. Bild: Maximilian Sacher

Auf meinem Heimweg sehe ich, wie der U-Haul Truck vor dem Weißen Haus losfährt. Wahrscheinliche Richtung Delaware. Denn so ungewiss der Ausgang der Wahl momentan scheint, steht zumindest das fest: Präsident Joe Biden zieht weg aus Washington DC. In den verdienten Ruhestand. 

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