Filmfest 2024
Les Indésirables
Sich im eigenen Land nicht wirklich willkommen fühlen. Dieses Gefühl kennen viele Personen mit Migrationsgeschichte. Nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in unserem Nachbarland Frankreich. Der Regisseur Ladj Ly hat diesen “Unerwünschten” nun einen Film gewidmet.
Gigantische, heruntergekommene Plattenbauten ragen in den Himmel eines Pariser Vororts: So wie viele andere ärmere Leute mit Migrationshintergrund lebt auch Haby in einem dieser Gebäude. Die junge Aktivistin arbeitet im Rathaus und unterstützt mit einem Verein Menschen in Wohnungsnot. Als der Bürgermeister der Stadt überraschend verstirbt, tritt der politisch noch recht unerfahrene Kinderarzt Pierre an seine Stelle. Dieser setzt den radikalen Kurs gegen die Armenviertel fort, deren Bewohner:innen er mit Zwangssanierungen und anderen Methoden aus der Stadt vertreiben will. Doch Haby tritt Pierre entgegen und stellt sich selbst als Bürgermeister-Kandidatin auf. Es beginnt ein Kampf um die Macht, der mehr und mehr eskaliert.
Die Spaltung Frankreichs
Ladj Ly, der selbst in ärmlichen Verhältnissen in der Nähe von Paris aufgewachsen ist, versteht es, den Finger in die gesellschaftliche Wunde zu legen. Kompromisslos zeigt er die beengenden Umstände der Lebensrealität vieler Eingewanderter und macht die Ungerechtigkeit nachempfindbar, diese Gruppen erleben. Dabei setzt der Film allerdings auch Hintergrundwissen über die politische Situation in Frankreich voraus, was dem Ausland einige Aspekte des Films schwer zugänglich macht. Die zentrale Botschaft des Films wird trotzdem transportiert: “Wir sind hier und wir lassen uns nicht einschüchtern”.
Jung vs. Alt
Dabei geht es aber nicht nur die Schikane von Regierung und Polizei gegenüber People of Color, sondern auch um den Generationen-Konflikt. Jung gegen Alt, konservativ gegen liberal. Rebellen gegen die Obrigkeit. Auf die Frage in einem Interview wie sich Haby selbst beschreiben würde antwortet sie nur:
Angestaute Wut
Die innere Angespanntheit der einzelnen Charaktere und deren Wut wird durch die wirklich gute Kameraführung perfekt eingefangen. So wechselt die Kamera zwischen ruhigen, statischen Bildern und stark verwackelten hin und her, um die Eskalationsspirale zu verdeutlichen, in der sich die Figuren befinden. Auch die vielen und beeindruckenden Drohnenaufnahmen verdeutlichen die Härte und Gnadenlosigkeit der französischen Armenviertel, die auch Banlieue genannt werden. Les Indésirables zieht einen mit hinein in einen Strudel aus Frust, Verlust und Hass und zeigt aber auch, dass Gewalt kein Ausweg aus diesem Strudel ist, sondern einen noch viel tiefer in ihn hineintreibt. Der Film ist der Versuch, diesen Strudel zu durchbrechen und es gelingt ihm nahezu perfekt.
Les Indésirables läuft zweimal auf dem Filmfest München: am 30.06 und 06.07.