DOK.fest 2024
Die Zeit der Dokumentarfilme ist gekommen
Das DOK.fest München startet! Die Begeisterung für den Dokumentarfilm ist nach wie vor riesig, nicht nur bei den Filmemacher:innen, sondern auch bei uns. Deshalb haben wir uns schon mal durchs Programm geschaut und stellen euch ein paar der Filme vor.
Alles gehört zu dir
Yen Nguyen reist von Oslo nach Berlin zu ihrer Familie. In Alles gehört zu dir erzählt sie von der Schwierigkeit, sich ohne der Sprache mächtig zu sein, in Oslo zurecht zu finden. Nun kann sie das erste Mal richtig nachvollziehen, wie mutig ihre Eltern waren, die vor 30 Jahren nach Deutschland, ein fremdes Land, gekommen sind. Sie und ihr Bruder blicken zurück auf ihr Leben. Es war ein Kampf zwischen dem, was sie hat – vietnamesischen Eltern mit einem Imbisstand – und dem, was sie gerne wäre: ein deutsches Mädchen. Offen erzählt sie, wie schwer es für sie war zu akzeptieren, wer sie eigentlich ist, und hinter ihren eigenen Zuschreibungen den wahren Wert ihrer Identität zu erkennen. (Jasmin Kettenstock)
Die guten Jahre
Wenn die Eltern pflegebedürftig werden, steht für viele Menschen nicht nur eine emotional schwere Zeit bevor – auch die neue Alltagsgestaltung stellt Betroffene vor Herausforderungen. Als sich der Gesundheitszustand der dementen Mutter von Michael Appelt verschlechtert, entscheidet der Fotograf sich dazu, wieder zurück in sein Kinderzimmer auf dem österreichischen Land zu ziehen. Die guten Jahre ist eine ruhige Doku, die ohne großes Drama auskommt, sondern den Härten des Lebens mit einer Ausdauer und Zähheit begegnet – rührend, aber auch alltäglich. (Alina Blank)
Eternal You
In dem Dokumentarfilm Eternal you geht es um eine neue Technologie, bei der verstorbene Personen in Form eines Chatbots oder Avatars imitiert und so „wieder zum Leben erweckt“ werden. In verschiedenen Storylines werden Nutzerinnen und Nutzer der „Digital Afterlife Services“ hautnah begleitet. Wir sehen die Perspektive von Unternehmen die in die „Jenseitstechnologie“ investieren und hören kritische Stimmen von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet. Ist es respektvoll gegenüber den Toten, sie ohne Zustimmung als Avatare zurückzuholen? Obwohl das ganze moralisch fragwürdig ist, arbeiten zahlreiche Unternehmen und Forscher:innen weiter an dem Business mit dem Leben nach dem Tod. Das macht den Dokumentarfilm brandaktuell und relevant. (Antonia Lang)
Echo of you
Echo of You ist ein Portrait über 9 dänische Menschen über 80, die die Liebe ihres Lebens verloren haben. Zara Zerny stellt dabei die Echtheit menschlicher Emotionen dar und fängt diese in cineastischer Weise ein. (Alina Neuper)
Henry Fonda for President
Nein, liebe Leser:innen, ihr habt nichts verpasst: Henry Fonda ist und war niemals ernsthafter Präsidentschaftskandidat… außer in einigen der Filme, in denen er mitgespielt hat. Regisseur Alexander Horwath leitet in seinem Debüt, Henry Fonda for President, aus der Rollenwahl Fondas aber eine sogenannte politique des acteurs ab. Fonda würde demnach durch seine Figuren eine politische Positionierung einnehmen, auch wenn er sich selbst privat aus der Politik fernhielt. Wer bei Henry Fonda for President ein Biopic des Schauspielers erwartet, liegt falsch. Viel eher geht es dem Regisseur darum, mit der Rollenwahl Fondas eine chronologisch erzählte Geschichte der USA zu erzählen. (Dennis Reinhart)
Joana Mallwitz – Momentum
Mit 27 Jahren war sie die jüngste Generalmusikdirektorin Europas. Jetzt ist sie mit Mitte 30, Chefdirigentin und künstlerische Leiterin am Konzerthaus in Berlin: Joana Mallwitz. Joana Mallwitz – Momentum von Günther Atteln begleitet die Dirigentin über zwei Jahre hinweg. Die Intensität ihres Lebens zwischen verschiedenen Projekten, Städten und Partituren wird deutlich spürbar. Joana Mallwitz zeigt ihre Nervosität und spricht offen über die Herausforderung, die ein voller Saal für sie als introvertierte Person darstellt. Andere Fragen wie die, wie sie Familienleben und Karriere vereint, werden nur an der Oberfläche gestreift. Der Film scheint wie Joana Mallwitz selbst den Fokus auf das richten zu wollen, um das es geht: die Musik. Diese bekommt definitiv ihren Raum, weshalb vor allem Musikliebhaber:innen auf ihre Kosten kommen. Es ist ein Film, der nah dran und doch so fern ist – über eine beeindruckende Dirigentin, deren Zukunft sicherlich noch viel für uns bereithält. (Annette Beyer)
Tell them about us
Tell Them About Us! Unter diesem Titel porträtiert Rand Beirutys Film eine Gruppe von geflüchteten Teenagerinnen, die in einer brandenburgischen Kleinstadt leben. Dort sollen Geflüchtete dem Bevölkerungsschwund entgegenwirken. Der Film stellt aber die Frage, was die Mädchen selbst mit ihrem Leben anfangen wollen. Die Kamera folgt der Gruppe in die Schule, mit nach Hause und bei den ersten Schritten ins Berufsleben. Im Mittelpunkt aber stehen ihre Wünsche und Träume, die sie in nachgespielten Sequenzen selbst inszenieren. Tell Them About Us ist ein einfühlsamer, aber starker Film, der seine Protagonistinnen für sich selbst sprechen lässt, ohne dabei auf die eigene Aussagekraft des Dokumentarfilms zu verzichten. (Maria Krampfl)
Filmstunde_23
Manche Ergebnisse Sozialer Experimente kann man erst nach Jahren messen. Was 1968 in einem Klassenzimmer eines Mädchengymnasiums begann findet nun 55 Jahre später mit Filmstunde_23 wieder zu sich selbst. Vor mehr als einem halben Jahrhundert, unterrichtete der Regisseur Edgar Reitz Schülerinnen einen ganzen Monat lang zum Thema Film. Am Ende bekamen alle Mädchen eine Kamera in die Hand gedrückt und zogen durch das München der 68er Jahre. Von einer der ehemaligen Schülerinnen initiiert, kommt es 2023 zu einem Klassentreffen der anderen Art. Die Montage aus den Bildern der Dokumentation von 68, den Projektfilmen der Schülerinnen und den Aufnahmen aus der Gegenwart, erschafft ein berührendes Zeitdokument, dass den Zuschauer:innen einen fassbares Gefühl von Vergänglichkeit und Entwicklung vermittelt. (Jonathan Heck)
Im Land der Wölfe
Es gibt wohl kein Tier in Deutschland, über das seit Jahren so kontrovers diskutiert wird, wie über den Wolf. Während die einen am liebsten sofort sämtliche Wölfe erschießen lassen wollen, freuen sich andere über seine Rückkehr und betonen seine Wichtigkeit für ein gesundes Ökosystem. In dieser aufgeladenen Debatte schlägt die Doku Im Land der Wölfe eher ruhige Töne an und versucht, alle Seiten der Debatte zu durchleuchten. Sie zeigt ein Deutschland, dass verunsichert ist über die Rückkehr eines Tieres, auf das viele nicht vorbereitet sind und nun Lösungen gefunden werden müssen, wie mit dem Wolf umgegangen werden soll. Die Doku findet zwar keine Antwort darauf, bietet aber eine gute Grundlage, um sich selbst eine Meinung bilden zu können. (Elias Mohr)
Das DOK.fest 2024 findet bis zum 12. Mai in verschiedenen Kinos in München statt. Vom 06.-20. Mai können die Filme auch digital von zu Hause aus angesehen werden.