Kommentar
Social Media fördert toxische Produktivität
Social Media Trends laufen uns allen ständig über den Weg: Häufig zeigen sie uns eine perfekte und unrealistische Welt. Sie beeinflussen das Verhalten der Nutzer:innen, und fördern so toxische Produktivität, findet Lena Werner. Ein Kommentar.
Vollzeitjob, Jura studieren, für einen Marathon trainieren und nebenbei noch ein Kochbuch schreiben, so sieht der Alltag einiger Influencer: innen aus – zumindest wenn man all den vielen Instagram-Stories glauben schenken will. Darin wird vor allem ein Wert immer wieder zur Maxime erhoben: Produktivität!
Meine Instagram for you page wird in letzter Zeit überschwemmt von Videos, in denen Creator: innen ihren produktiven Alltag dokumentieren. Nicht selten frage ich mich, was ich denn in der gleichen Zeit so geschafft habe. Aber um 5 Uhr aufstehen und bis spät abends auf verschiedenen Feldern arbeiten – kann das überhaupt gesund sein?
Das toxische Social Media Bild
Es ist vor allem eins: toxisch – und es wird noch toxischer, indem man solche Inhalte auf Social Media teilt. Damit leben die Creator:innen diesen Lebensstil vor und stellen damit auch einen Orientierungspunkt dar. Das wohl prominenteste Beispiel ist der “That-Girl” – Trend. Creatorinnen zeigen dort ihren unrealistisch perfekten Alltag, angefangen bei der Morgenroutine mit Workout, gesundem Smoothie und Journalen.
Selbstoptimierung und toxische Produktivität gehen bei Social Media Trends oft Hand in Hand, ganz nach dem Motto: “becoming the best version of ourselves”, also werde die beste Version deiner selbst. Influencer:innen nehmen häufig eine Vorbildfunktion ein – vor allem für jüngere Nutzer: innen. Ihnen wird somit suggeriert, dass ein produktiver Alltag genauso aussieht. Vermeintlich unproduktives Verhalten wird abgewertet.
Gesundheitliche Risiken
User:innen, deren Alltag bestimmt anders aussieht, vergleichen sich so ständig gewollt oder ungewollt mit anderen und setzen sich selbst extrem unter Druck, um dem Erfolg nachzueifern. Toxische Produktivität kann zu gesundheitlichen Folgen führen. Vor allem negative Auswirkungen auf die mentale Gesundheit lassen sich beobachten – die Symptome können von Schlafstörungen über Angstzustände bis zum Burnout reichen.
Außerdem schränkt ein toxisch produktives Verhalten auch die Freizeit ein – diese wird nämlich nach Produktivitätsstandards ausgerichtet und nimmt der Freizeit damit den notwendigen Erholungsfaktor. Es gibt also gar keine freie Zeit mehr, die zur Entspannung genutzt werden kann. Und ohne Pausen lassen sich auf Dauer keine erfolgreichen Leistungen abrufen.
Fokus auf das eigene Wohlbefinden
Aber toxische Produktivität ist nichts, was mit Social Media entstanden ist – sie ist ein Grundproblem unserer Leistungsgesellschaft. Nach der Formel: Harte Arbeit, und damit eine produktive Arbeitsweise, führt zu Erfolg. Über soziale Medien erreicht dieses desillusionierte Bild allerdings unterschwellig sehr viele Menschen.
Der überproduktive und vermeintlich perfekte Alltag von Social Media Persönlichkeiten sollte also nicht Orientierung für das eigene Leben sein. In unserer Gesellschaft sollten wir unsere eigenen Bedürfnisse und unser Wohlbefinden priorisieren und den Blick nicht so oft auf das Leben anderer richten, sowohl online als auch offline – und sich bei aller Produktivität auch Zeit für Pausen nehmen.