Ein linguistischer Ausflug in die Boazn
Red keinen Stuss!
„In der Boazn eines Kaffs gab es gestern Abend Punsch. Viel Alkohol und Zucker darin. Auf dem Programm stand: Zocken, Schmusen und dann komplett blau heim auf die Matratze. Für den Schädel heißt das am nächsten Morgen: Schachmatt.“
Ein simpler, völlig normaler Text ohne Fremdwörter – oder? Genau genommen: Nein. Denn zehn von den 13 Substantiven sind sogenannte Lehnwörter. Also Wörter aus einer anderen Sprache, die in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übernommen wurden.
Geschnorrte Sprache
Dieser kleiner Ausflug in die Boazn liefert viele Beispiele für aus anderen Sprachen entlehnte Worte: Schachmatt etwa kommt aus dem Persischen, genauer von dem Ausdruck schāh māt, was so viel bedeutet wie „der König ist geschlagen“. Besonders im Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit schwappten viele Begriffe aus dem arabischen Sprachraum ins Deutsche über. So auch die Matratze. Das arabische Wort Maṭraḥ bedeutet „Bodenkissen“ und gelangte über Frankreich und Italien in den deutschsprachigen Raum.
Das Faszinierende bei Lehnwörtern im Deutschen ist nicht nur, wie häufig sie vorkommen, sondern wie selbstverständlich sie im alltäglichen Sprachgebrauch eingesetzt werden. Von den meisten Herkunftsgeschichten haben aber viele noch nichts gehört. Wer weiß schon, dass Wörter wie Zucker und Punsch beide indischen Ursprungs sind?
Je ne parle pas francais. Aber english!
Umso absurder erscheinen bei dieser multikulturellen Vielfalt unseres Vokabulars die Forderungen des „Vereins Deutsche Sprache“. Dieser wird von Sprachwissenschaftler*innen häufig kritisiert und wettert vor allem gegen das Denglisch, also gegen die übertriebene Nutzung von Anglizismen. Ziemlich whack und unfair, wenn man daran denkt, wie viele coole, manchmal sogar ziemlich basic deutsche Wörter aus anderen Sprachen kommen. Besonders im Jugend-Slang sind Anglizismen voll im Trend. Manche davon mögen im Sprachgebrauch noch ungewohnt und befremdlich wirken, die „Eindeutschung“ fremdsprachiger Begriffe ist aber ein ganz natürlicher Effekt der Sprachentwicklung. Und den gibt es schon länger.
Heute genießt das Englische ein so großes Ansehen als Weltsprache, dass viele Worte einfach übernommen werden. Das war nicht immer so: Im 18. und 19. Jahrhundert übernahm diese Rolle noch das Französische. Und das ist bis heute in den bayerischen Dialekt durchgesickert. Man denke an Wörter wie: Böfflamott, Trottoir, Lackl, Charivari oder Sakradi no amoi. In diesem Sinne: Mersse Dir Napoleon!U
Der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Anthony Rowley ist der lebendige Beweis für die Farbenpracht der deutschen Sprache: Ursprünglich aus England stammend, studierte er in Regensburg Germanistik und spezialisierte sich auf die bayerische Mundart. Inzwischen ist er Chefredakteur des „Bayerischen Wörterbuchs“ und untersucht die Herkunft von Ausdrücken des Dialekts. Und selbst die in Bayern heiß geliebte Boazn hat einen linguistischen Migrationshintergrund. Die mundartliche Bezeichnung für eine Kneipe leitet sich nämlich aus dem jiddischen Wort bajis für „Haus“ ab. Auch zocken (zchocken), das Kaff (kafar) und schmusen (schmuoss) sind sind jiddischer bzw. hebräischer Herkunft.
Sprache ist bunt
Was viele Sprachwissenschaftler*innen für meschugge halten, ist das Ziel des „Verein Deutsche Sprache“. Dieser will mittels einer Institution die Sprachentwicklung beeinflussen. Dabei ist das Vokabular einer Sprache ein sich natürlich und eigenständig entwickelndes Zeugnis von Migration, (Sub-)Kulturkämpfen und historischen Verflechtungen. Das „pure“ Deutsch gibt es nicht. Denn Sprache ist bunt.