Dagobert im Interview
Zeitlose Kunst
Der Schweizer Sänger Dagobert erregt mit seinem obskurem Mix aus Schlager und Elektro-Pop seit mehreren Jahren Aufsehen in der deutschen Musiklandschaft. Im Interview spricht er über die Produktion seines neuen Albums, kreative Ausflüge in die Welt des Theaters und die Bedeutung von Politik in der Pop-Musik.
Dagobert ist eine Erscheinung, wie es sie in der deutschsprachigen Musik schon lange nicht mehr gab. 2010 tauchte der schlaksige Schweizer wie aus dem nichts in Berlin auf, und sorgte dort mit eigenwilliger Musik zwischen Schlager und Balladen sowie mit seinem obskuren Auftreten für Furore. Jetzt hat er sein mittlerweile drittes Studioalbum, Welt ohne Zeit, veröffentlicht, welches das Mysterium Dagobert weiter vorantreibt.
Denn die Lebensgeschichte des 34-jährigen ist fast noch erstaunlicher als seine Musik. Nach dem Abitur schmeißt er erstmal alles hin und lebt für zwei Jahre wie ein Obdachloser im Bandproberaum eines Freundes. Umgeben von Instrumenten beginnt er dutzende Songs zu schreiben, mit denen er ein ein Kulturstipendium und 18.000 Franken gewinnen kann. Schon mit diesem Material verarbeitet Dagobert seine persönliche Gefühlswelt, was er auch im Interview bestätigt: “Persönlich war bei mir schon immer alles, und wenn die Songs nicht erstmal wehtun, sind sie später meistens nicht so spannend.”
Nach einem kurzen, wenig erfolgreichen Aufenthalt in Berlin zieht er sich für fünf Jahre in ein Haus im Alpendorf Pigniu zurück, und widmet sich in vollkommener Abgeschiedenheit dem Songschreiben. Nach dieser prägenden Zeit zieht es ihn wieder in die deutsche Hauptstadt, dort wohnt er zunächst im Hinterzimmer eines kleinen Cafés, hat aber schon mehrere kleine Auftritte und kann sich eine Fangemeinde erschließen. Mit seinem selbstbetitelten Debüt macht er sich 2013 in der Berliner Untergrund-Szene endgültig einen Namen, und kann dann 2015 mit seinem zweiten Album Afrika im ganzen deutschsprachigen Raum Kritiker und Musikfans überzeugen. Sein nostalgisch-melancholischer Sound klingt sehr modern und international, doch textlich fühlt er sich aktuell in Deutsch immer noch am Wohlsten: “Wenn ich mir anhöre, wie ich auf Englisch klinge, gefällt mir das nicht so wirklich. Ich glaube, es müsste auch für Leute die kein Deutsch können, möglich sein, meine Musik zu verstehen, Einfach weil sie so Emotional ist. Aber ich denke in Zukunft wird es auch möglich sein, mit meiner Musik überall auf der Welt Gehör zu finden.”
Mit Welt ohne Zeit geht Dagobert künstlerisch auch einige neue Wege. Anderes Label, neuer Produzent, und auch textlich hat er sich diesmal von Beziehungen inspirieren lassen, die er selbst erlebt hat. Aber davon, in seiner Musik auch politisch Stellung zu beziehen, davon hält er nicht viel. “Für mich ist Politik einfach völlig unmusikalisch. Meine Aufgabe ist eher, für pure Emotionalität zu stehen. Ich beschäftige mich auch nicht wirklich mit aktuellen Ereignissen. Wenn man sich für alles verantwortlich fühlt, kann man eigentlich gar keine Musik mehr machen.”
Welt ohne Zeit ist eine Album, was reine Romantik ausstrahlt. Dabei bleibt die Musik aber immer spannend und lebendig, reicht von herzzereißend bis kraftvoll. Dagobert dürfte damit einen Platz in den Herzen sämtlicher Liebhaber deutscher Popmusik auch ausserhalb des Feuilletons sicher haben.