Filmfest 2023

Orlando, meine politische Biographie

/ / Bild: © Salzgeber

Paul B. Preciado ist Philosoph, Autor, trans* und jetzt auch Filmemacher. Auf die Frage warum er seine Biografie nicht schreiben will, antwortete er „weil fucking Virginia Woolf meine Biografie geschrieben hat“.  Und so erzählt er diese und die von vielen anderen mithilfe ihres Romans Orlando – eine Biografie in seinem neuen Film. Er fügt lediglich das Wort politisch hinzu, denn der Film ist für ihn ein politisches trans* Manifest.

In der Buchvorlage des Films geht es um einen jungen Adeligen, der eines Tages als Frau aufwacht und insgesamt rund 300 Jahre durchlebt. Das Thema Gender wird dort auf eine interessante Art und Weise verhandelt, denn Orlando ist nicht immer nur Mann oder nur Frau, und muss sich mit der neuen geschlechtlichen Identität arrangieren. Deshalb gilt Orlando auch als Schlüsselfigur der queeren Kulturgeschichte.

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Trailer zu Orlando, meine politische Biografie

Geschlecht ist nicht immer binär

Dass trans* Menschen immer noch mit Stigmatisierung und auch rechtlichem Ausschluss kämpfen müssen, zeigt Preciado anhand von insgesamt 26 Schauspieler:innen, die zwischen 8 und 70 Jahren alt sind. Viele davon identifizieren sich als nicht-binär, also weder als Mann noch als Frau. Doch die für sie wichtigen Maßnahmen sind nicht für alle zugänglich.

Eine Szene verdeutlicht das sehr konkret: Mehrere trans* Menschen sitzen in einem Wartezimmer einer therapeutischen Praxis und reden darüber, dass sie keine Hormone bekommen, wenn sie sich nicht klar und deutlich als ein Geschlecht darstellen. Der Film traut sich dabei auch lustig zu sein, als zum Beispiel das Wartezimmer plötzlich zu einer Disko wird und alle beginnen wild zu tanzen und sich gegenseitig Hormone zu geben. 

Das Leben als Kunst oder die Kunst als Leben?

Immer wieder werden Passagen von Virginia Woolf´s Orlando von den Darsteller:innen rezitiert, aber auch ihre eigenen persönlichen Geschichten werden aufgegriffen. Die Szenen im Film sind oft dem Buch nachempfunden. Unter anderem wird dafür ein Set mit Schnee und Bäumen aufgebaut oder ein Schiff im Haar gezeigt, um die Schiffsreise von Orlando aus dem Ausgangstext darzustellen. Preciado nimmt sich dabei Raum zur Interpretation: Alles ist überzogen, Dragqueens stellen Frauen dar und wer gerade Orlando spielt, trägt eine weiße Halskrause, um den adeligen Status zu signalisieren. Während des Films blicken die Zuschauer:innen wortwörtlich hinter die Kulissen. Die Darsteller:innen stellen sich mit ihren echten Namen vor und sagen dann, welche Rolle sie spielen werden. Somit entsteht eine Mischung aus Fiktion und echtem Leben. Es zeigt sich: Obwohl alle andere Geschichten und Erfahrungen haben, steckt eine Universalität in der queeren Erfahrung.

Orlando, meine politische Biografie lief auf dem Filmfest München, jetzt ist er auf der Plattform Mubi zu sehen: https://mubi.com/films/orlando-my-political-biography.