Filmkritik
Ennio Morricone – Der Maestro
Für eine Handvoll Dollar, Es war einmal in Amerika, oder The Hateful Eight. Alle diese Filme verbindet ein Mann und seine Musik. Giuseppe Tornatore porträtiert das Leben und die Person des großen Komponisten, der Filmgeschichte geschrieben hat in Ennio Morricone – Der Maestro.
Die Zuschauer:innen treffen den legendären Maestro in einer ungewohnte Situation: Nicht etwa im Tonstudio, sondern bei einem Spaziergang durch die Zimmer seines Hauses und bei einigen Übungen, um sich fit zu halten. In den ersten Sekunden des Dokumentarfilms Ennio Morricone – Der Maestro über das Leben des Komponisten entsteht ein relativ gewöhnliches Bild: ein ruhiger, ganz bescheidener alter Mann.
Aber dann setzt sich dieser Mann in seinen Sessel und beginnt, aus seinem Leben zu erzählen. So ein wenig wie ein Märchenonkel, der die Zuhörer:innen sofort mit seinen Worten fesselt.
Vom Kontrapunkt zu Sergio Leone
So ist die Karriere von Ennio Morricone bereits zu Beginn seines Musikstudiums zu großen Erfolgen bestimmt, was vor allem auf Morricones kreativen Einsatz des Kontrapunkts zurückzuführen ist. Das heißt, dass in einer spannenden Filmszene keine Musik gespielt wird, die Spannung aufbaut, sondern beispielsweise eher heiter klingt. Zuerst benutzt er dieses musikalische Verfahren um die italienische Popmusikszene zu revolutionieren und produzierte damit Titel für Gino Paoli, Edoardo Vianello und Gianni Morandi. Das hilft dem Italiener ungemein, sich auch einen Namen als Filmmusikomponist zu machen. Absolut legendär ist dabei seine Zusammenarbeit mit Sergio Leone für die sogenannte “Dollar Triologie”.
Eine (zu) liebevolle Geschichte
Der Regisseur von Ennio Morricone – Der Maestro, Giuseppe Tornatore, war ein großer Freund von Ennio Morricone, mit dem er auch bei einigen seiner Filme zusammenarbeitete. Diese freundschaftliche Liebe zeigt sich in der Sorgfalt, mit der der Regisseur die Details des Lebens des Komponisten einfängt. Dadurch entsteht aber auch immer wieder das Gefühl, mehr eine Hymne an Ennio Morricone als einen echten Dokumentarfilm zu sehen.
Doch manchmal wird all diese Liebe in Ennio Morricone – Der Maestro, ein bisschen zu viel. Der Dokumentarfilm, so ausführlich er auch ist, ist sehr lang. Wie ein roter Faden zieht sich Morricones zwiespältige Beziehung zu Films Soundtracks durch den Doku und der Wunsch, wieder in die Welt der großen Orchester einzutauchen. Wenn das Wiedersehen dann tatsächlich stattfindet, fragt man sich, warum der Film noch weiterläuft, wenn der Höhepunkt der Geschichte bereits erreicht wurde.
Weniger ist mehr (oder doch nicht?)
Außerdem kommt es häufiger vor, dass die verschiedenen Berichte über Ennio im Endeffekt nur wiederholen, was der Maestro einige Sekunden zuvor selbst schon gesagt hat. Aber was den Zauber dieses filmischen Liebesbriefs am meisten zerstört, ist die Tatsache, dass alle seine Freunde gegen Ende von Ennio Morricone – Der Maestro, immer wieder sagen, wie großartig Morricone war. Das Problem daran ist, dass die Zuschauer:innen bereits seit über zwei Stunden wissen, wie großartig Morricone doch war und dabei stets bescheiden blieb. Manche offensichtlichen Dinge sollten manchmal doch eher ungesagt bleiben, anstatt sie in die Gesichter des Publikums zu reiben.
Mehr als nur Musik?
Trotz all dieser negativen Aspekte lässt sich aber nicht leugnen, dass Tornatore eine umfangreiche, wenngleich befangene, Darstellung des Lebens und Werks von Ennio Morricone gelungen ist. Der Umstand, dass der Soundtrack einzig und allein aus seiner Musik besteht, zeigt dabei noch einmal deutlich: Ennio Morricone – Der Maestro ist allen voran ein Genuss nicht nur für die Augen, sondern allen voran für die Ohren.
Die Dokumentation Ennio Morricone – Der Maestro ist ab dem 22. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.