Filmkritik
Rheingold
Giwar Hajabi wird als Sohn kurdischer Freiheitskämpfer:innen im Iran geboren. Um ein sicheres Leben für ihren Sohn zu sichern, flüchtet seine Familie über den Irak nach Deutschland. Dort angekommen wird aus Giwar dann „Xatar“. Fatih Akins neuer Spielfilm Rheingold erzählt die Geschichte eines der erfolgreichsten und einflussreichsten deutschen Rappers und Musikproduzenten Deutschlands.
Migration, Flucht und Kunst. Diese drei Dinge ziehen sich durch das Leben des Rappers „Xatar“ (kurdisch für „gefährlich“). Der Film Rheingold nimmt die Zuschauer:innen mit in sein Leben und zeigt wie die Grausamkeiten des Krieges und die harte Realität der Straße und der Kriminalität ihn zu dem Menschen gemacht haben, der er heute ist. Fatih Akins (Aus dem Nichts, Der goldene Handschuh) neuestes Werk zeigt über knapp 90 Minuten äußerst bildgewaltig die verschiedenen Lebensabschnitte des Rappers.
DAS LEBEN DES JUNGEN XATAR
Das Erste woran Giwar Hajabi (Emilio Sakraya) sich erinnern kann, ist das Gefängnis. Als Kind schon erlebte er, wie es ist verfolgt zu werden. Seine Eltern, kurdische Freiheitskämpfer:innen, waren gemeinsam mit ihm in Gefangenschaft. Über Frankreich gelangte die Familie dann nach Deutschland. Dort gibt es Arbeit für seinen Vater, einen klassischen Komponisten und Dirigenten. Obwohl die Eltern anfangs wenig Geld haben, bezahlen sie jahrelang Klavierunterricht für den Sohn. Als der Vater die Familie verlässt, hört Giwar auf Klavier zu spielen und driftet in die Straßenkriminalität ab. Diese Lebensabschnitte werden im Film recht kurz behandelt, machen aber trotzdem klar, wie genau die Verhältnisse zwischen den Charakteren aussehen und welche Motivation sie für ihre jeweiligen Handlungen haben.
Xatars Gespür für Musik und sein unternehmerisches Können sind zwei Themen, die in Rheingold immer wieder gezeigt werden. Beispielsweise in einer Szene, in der er auf einer HipHop Veranstaltung in Bonn den Rapper SSIO entdeckt. Das mag vielleicht nach authentischen Ereignissen klingen, doch mangelt es dem Film immer wieder an dem oftmals nötigen Realismus. Stattdessen wirkt diese Szene und einige weitere Erlebnisse eher albern und überzogen.
DIE ENTSTEHUNG VON 415
Als aus Kleinkriminalität immer größere Verbrechen werden, landet Xatar für einen Goldraub im Gefängnis. Der Weg, der dazu führte, wird nachvollziehbar erzählt und zeigt wie schnell man als Kleinkriminelle:r an die falschen Leute und auf die schiefe Bahn gelangen kann. Im Gegensatz zu anderen Ereignissen in Rheingold wirkt diese Eskalation der Geschehnisse immer authentisch und glaubwürdig. Vor seiner Verurteilung sind Giwar und seine Komplizen einige Zeit auf der Flucht. Dabei hadert Xatar immer mehr mit seinen Entscheidungen, die ihn zu diesem Punkt gebracht haben. So bekommt er Gewissensbisse und denkt oft an seine Mutter, die er auf gar keinen Fall enttäuschen möchte, es allerdings mit seiner kriminellen Laufbahn immer wieder tut. Das macht die Figur zu einem facettenreichen Charakter, mit dem die Zuschauer:innen mitfühlen können.
Im Gefängnis entscheidet Xatar, sich weiter der Musik zu widmen und ehrliches Geld zu verdienen. Auch um seine Mutter stolz zu machen. Das wird visualisiert indem sie als Projektion seiner Gedanken in seiner Zelle aufwacht und Xatar für frauenfeindliche Zeilen rügt. Was zunächst etwas klischeehaftwirkt, nimmt die Zuschauer:innen mit in die Psyche eines Häftlings. Aus seiner Zelle heraus veröffentlicht Giwar irgendwann das Album „415“ (seine Insassennummer). Die Platte wird zunächst ohne sein Wissen zum Hit.
Pures oder doch nur Katzengold?
Mit Rheingold liefert Fatih Akin einen überaus bildgewaltigen Film ab, der meistens authentisch die spannende Biografie eines der wichtigsten Deutschrappers erzählt. Die Szenen aus dem Krieg nehmen heutzutage mehr denn je mit und die Bilder aus der Jugend des Protagonisten fühlen sich wie aus dem echten Leben gegriffen an. Aber auch die Hip-Hop-Kultur und das migrantische Milieu behandelt der Film immer mit Respekt. Wenn Rheingold eines gelingt, dann allen voran Diskussionen über Deutschrap auch bei denjenigen auszulösen, die sich sonst nicht dafür interessieren.
Rheingold ist seit dem 27. Oktober 2022 in den deutschen Kinos zu sehen.