Filmkritik

Three Thousand Years of Longing

/ / Dr. Alithea Binnie (Tilda Swinton) und der Dschin (Idris Elba)/ Bild: Leonine

Für den Literaturwissenschaftler Edward Said war der Blick auf den Nahen Osten von Jahrhunderten des Kolonialismus und Imperialismus geprägt. Dass Saids Werk Orientalism aus den 70ern auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, beweist der neueste Film von Mad Max-Regisseur George Miller: Three Thousand Years of Longing.

Als die Literaturwissenschaftlerin Dr. Alithea Binnie (Tilda Swinton) in Istanbul eine Glasflasche kauft, rechnet sie nicht damit, dass diese ihr Leben verändern wird. Doch dann schlüpft ein Dschinn (Idris Elba) aus der Flasche und das Grauen beginnt. Wie das mit einem Dschinn meist so ist, bekommt Alithea drei Wünsche geschenkt – danach ist sein Job vorbei. Klar, das kennt man als geneigte:r Zuschauer:in von Aladin und Co. Weniger typisch ist aber, dass die Protagonistin wunschlos glücklich ist und aufgrund ihrer Expertise als Narratologin natürlich weiß, dass Dschinns von Grund auf trickreiche Gestalten sind. Also beschließt der Dschinn ihr stattdessen seine fantastische Lebensgeschichte zu erzählen – und die hat’s in sich.

Rassistische Stereotypen vom Mittelalter bis heute

Miller wärmt in den fantastisch anmutenden Rückblenden, die eigentlich eine ganz interessante Geschichte erzählen könnten, wirklich die komplette Bandbreite an Orientalismen auf: Harems, viele Harems. Sultan Süleyman I. als Kindermörder. Zwei Prinzen, einer absolut verweichlicht mit Dickenfetisch, der andere ein brutaler Schlächter. Und natürlich der Klassiker: Eine Zwangsheirat zwischen einem alten dauergeilen Mann und einem minderjährigen Mädchen.

Mama schau mal ein Harem (Bild: Leonine)
Mama, schau mal, ein Harem/ Bild: Leonine.

Zum Glück gibt es da das moderne Istanbul im Film, die Zeiten haben sich ja geändert und auch der Türke mittlerweile ganz aufgeklärt. Deswegen sind die Türken im Film auch wahlweise Kebabverkäufer oder absolut servile, dümmliche Hoteldiener. Auch die Stadt Istanbul wird wirklich wunderschön in Szene gesetzt, denn immer mal wieder sieht man ein paar Zwiebeltürme durch das Hotelfenster blitzen – mehr braucht es schließlich nicht, um zu wissen wo der Film spielt…

Das Beste kommt zum Schluss

Nachdem die Zuschauer:innen sich durch die Lebensgeschichte des Dschinns gequält haben, beschließt Dr. Binnie sich auf einmal urplötzlich und unnachvollziehbar in diesen zu verlieben. Die beiden ziehen nach England und das Glück scheint perfekt. Aber plötzlich wird der Dschinn krank, denn im Gegensatz zum rückständigen Istanbul gibt es in London zu viele elektromagnetische Wellen in der Luft – ah ja, das macht Sinn.

Und dann muss sich Miller natürlich für seinen Film auch noch selber auf die Schulter klopfen, denn die Nachbarinnen von Binnie sind zwei Brexiteers und beschweren sich über ihren neuen fremdländischen Lover. Darauf folgt natürlich eine flammende Rede der Literaturwissenschaftlerin: Rassismus ist falsch, ganz böse und so weiter. Das stimmt natürlich, aber nach mehr als einer Stunde voller rassistischer Erzählmuster wirkt das Ganze mehr wie ein ironischer Kommentar auf den Film. In gewisser Weise ist das aber auch einfach das perfekte Ende für dieses Machwerk.

Falls ihr Soziologie studiert und gerade ein Praxisbeispiel für Saids Orientalism sucht könnt ihr euch Three Thousand Years of Longing jetzt auf DVD und Blu-ray kaufen, für alle anderen gilt aber: Bitte tut euch das nicht an.