Filmkritik
Haute Couture – Die Schönheit der Geste
Teure Stoffe, extravagante Designs und aufwendige Applikationen. Haute Couture gilt als Königsdisziplin der Schneiderei. Wie aus der Leidenschaft zu diesem Handwerk nicht nur wunderschöne Mode entstehen kann, sondern auch Brücken zwischen Menschen geschlagen werden, zeigt Haute Couture – Schönheit der Geste.
Graue Hochhäuserkomplexe stehen der Eleganz des Modehauses Dior gegenüber. In dem neuen Film der Regisseurin Sylvie Ohayon prallen zwei ungleiche Frauen aufeinander, die sonst vermutlich nicht viel miteinander zu tun hätten. Zum einen die erfahrene Chefnäherin Esther, die ihre letzte Kollektion bei Dior vorbereitet. Zum anderen die junge Jade (Lyna Khoudri, The French Dispatch), die aus dem Banlieue, einer Randzone in Paris, kommt und nicht weiß was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Als Zeitvertreib beklaut sie die Pariser:innen, so auch Esther, gespielt von Nathalie Baye (Eine pornographische Beziehung). Allerdings hat die junge Diebin ein schlechtes Gewissen und bringt der Dame die Handtasche zurück. Bei diesem Zusammentreffen bietet Esther Jade die einmalige Chance ein Praktikum im Haute Couture-Atelier von Dior zu machen.
Eine Story mit Herz?
Die Geschichte um das Treffen der beiden wirkt dabei leider sehr an den Haaren herbeigezogen und ist aus Publikumssicht nicht verständlich. Auch fällt es anfangs schwer den Hauptcharakteren ihre Emotionen abzunehmen. Ob das an einer verbesserungswürdigen schauspielerischen Leistung oder einem unbedachten Drehbuch liegt, ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es einfach an beidem in Kombination. Mit der Zeit bessern sich jedoch Story und Schauspiel und die zum Teil erst unsympathischen Figuren wachsen einem ans Herz. Gleichzeitig fühlt man sich auch immer mehr in das Dior-Atelier und die Kunst der Schneiderei hineingezogen. Allerdings dürfte dieser Teil für wahre Modefans wohl auch noch mehr Raum im Film einnehmen.
Zwei Welten prallen aufeinander
Die zwei Hauptspielstätten des Films sind die Schneiderei und Jades Wohnblock im Banlieue. Dadurch werden die unterschiedlichen sozialen Welten, in denen die beiden leben, verbildlicht. Der Film spricht dies immer wieder an: Das Thema Rassismus in Frankreich ist ständig präsent, wird aber nicht durch große Worte, sondern durch kleine Gesten und Momente behandelt. Ob das ausreichend ist, muss vermutlich jeder für sich selbst entscheiden.
Was ist wirklicher Reichtum?
Das Schöne am Film ist aber die Frage danach, was wirklicher Reichtum ist. Das könnte manche Zuschauer:innen auch zum Nachdenken bewegen. Wie viel ist Geld wert im Gegensatz zu einem Handwerk, das weitergegeben werden kann? Und wie viel Leidenschaft und Freundschaft? Es ist eine gefühlvolle Reise, deren Weg mit wunderschönen Haute-Couture Kleidern gespickt ist und in der das heute teils vergessene Handwerk Schneidern im Mittelpunkt steht.
Haute Couture – Die Schönheit der Geste ist ab den 21.04.2022 in den deutschen Kinos zu sehen.