M94.5 ALBENREVIEW

OG Keemo – Mann beißt Hund

/ / Bild: Chimperator Productions

Ein innerer Monolog eines Streuners, der durch die dunklen Straßen der Papageiensiedlung streift, sein Rudel findet und verliert und schließlich aus seinem Käfig aus Beton ausbricht, um seiner eigenen Fährte zu folgen.

Mit seinem dritten Solo-Album hat OG Keemo zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten und Produzenten Funkvater Frank ein autobiographisch anmutendes Unikat erschaffen, das auf eine sehr direkte, unverblümte und authentische Weise mit gewohnt dunklem filigranem Trapsound, die Jugend und das Leben eines jungen Mannes in der Plattenbausiedlung beschreibt, in der er aufwächst.
In 17 Songs erzählt OG Keemo von Verlusten, Erlebnissen und schwelgt dabei zwischen melancholischen Erinnerungen und Traumata, die ihn kalt werden ließen und ihn zu dem machten, was er heute ist.

Mann oder Hund?

Dabei wird sowohl in als auch zwischen den Songs immer wieder das Bild eines Hundes aufgegriffen.
In den Skits „Mann“ und „Hund“ vergleichen Maliks Freunde das Wesen eines Hundes mit dem eines Menschen. Beide müssten nur „essen, f*cken und schlafen“, so einer seiner Freunde.
Das wird im nächsten Skit jedoch revidiert, da der Hund in Abhängigkeit zu dem Menschen stehe, und deshalb nicht frei über sein Schicksal entscheiden könne und nicht vergleichbar mit einem Menschen sei.

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Colors Show des emotionalen Songs “Regen”

Auch klanglich bleibt sich das eingespielte Team aus Frankie und Keemo treu: Auf dunklem Trap und nachdenklichem Boombap wird eine bildhafte Szene kreiert.
Gerade die Samples stechen dabei mit einem kreativen Touch hervor, da in den meisten Songs des Tonträgers, bewusst mit Variationen im Instrumental, stilistische Kontraste hervorgehoben werden.

Der zweite Song des Albums „Civic“ versetzt die Zuhörer:innen mit einem ruhigen, eher fröhlich gehaltenen Sample in eine Neunziger-Nostalgie, bevor ein abrupter Beatswitch die Atmosphäre eines Club-Bangers aus den 2000ern erzeugt und das Klangbild drastisch verdunkelt. Passend zur Story des Songs in dem Karim und seine Freunde in einem Honda Civic durch ihre Stadt fahren, zieht auch das Tempo des Songs an wie ein beschleunigender Wagen.

Düstere Stimmung und passende Beats

Selbige Szenerie findet mit gewohnt dunklem Trap und zeilenlangen Reimketten auf dem bereits vorveröffentlichten Song “Malik” ihren Anschluss.
Dass OG Keemo stilistisch sehr versiert ist, wissen langjährige Zuhörer:innen bereits seit seinen ersten Songs und so stellt der gebürtige Mainzer auch auf Songs wie „Big Boy“ unter Beweis, dass es für düstere Atmosphäre mit bedrohlichen Texten keinesfalls ausschließlich schnellen HighHat-Triplets bedarf, wie es im Trap üblich ist. Auf 90 Bpm flowt OG Keemo über ein Sample, das stilistisch an Missy Elliot erinnert, über die Makarov seines Kollegen, die dieser nur liebevoll „Big Boy“ nennt. Im Anschluss klart der Song wie ein wolkiger Himmel auf und transformiert sich in einen Laidback Cruiser mit GTA San Andreas Charakter.

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Offizielles Musikvideo des vierten Songs “Malik”

Das nächste Kapitel der über 17 Songs vorgetragenen Geschichte hat wiederum einen klassischen Boombap-Charakter und eine verzweifelte Attitüde, deren Pianosample von leise vorgetragenen Bars untermalt sind. Die Verzweiflung kippt im letzten Drittel in eine verbissene Dynamik, die OG Keemos kongenialer Partner Funkvater Frank mit einem sich wiederholenden Vokalsample einleitet, bevor er es in einem Three6 Mafia artigen Dark Trap Outro münden lässt.

Auch eine Moshpithymne wie „Suplex“ darf natürlich nicht fehlen. Lange dunkle 808s aktivieren bekannter Weise das tiefste Chakra und so gelingt dem Chimperator-Duo ein dynamischer Höhepunkt im flammenden Inferno mit Trap Charakteristika, bevor die Stimmung mit den folgenden Songs „2009“ und „Vögel“ auf eine ruhige Art mit melancholischem BoomBap-Stil wieder harmonisiert wird.

Geschichtenerzählen in Reimform

Storytelling kommt bei einem OG Keemo Album natürlich nie zu kurz und so hat es sich der Durag tragende Neuzeitpoet auch diesmal nicht nehmen lassen, seine Geschichte in gutdurchdachten Punchlines vorzutragen.
Was bei Mann beißt Hund aber zusätzlich hervorsticht, ist, dass die Outros der Songs oft die Parallelnarrative der Skits einleitet oder fortsetzt.
Eine Nuance von Mobb Deep lebt auf; sowohl die tiefen Klänge der Leadmelodien als auch die langsam getragene Tragik der langen Streicher verleihen der Stadt am Mainufer einen Hauch von South Bronx.
Im Song „Töle“ schlüpft OG Keemo in die Rolle einer seiner ehemaligen Weggefährten, mit dem er einst am Block unterwegs war. Während OG Keemo selbst einen kometenhaften Aufstieg zum erfolgreichen Rapper hinlegte, blieb der ehemalige Freund in der Siedlung und auch sein Leben veränderte sich nicht wirklich. Er ist noch immer am selben Ort und blickt anfangs mit Verachtung und Neid, dann mit Wut und schließlich mit sehnsüchtiger Wehmut auf seinen damaligen Bruder im Geiste, der der Siedlung entfliehen konnte und einen anderen Weg einschlug als er selbst.

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Namensgebender Song des Vorgänger-Albums “Geist”

Der große, übermächtige Koloss in Form der dunklen Plattenbau Siedlung, der sich seine Bewohner einverleibt, so wie diese sich den Stoff der dort im Umlauf ist, ist gleichzeitig der Antagonist und Lehrer des jungen Protagonisten, der zu Beginn des Albums vorgestellt wird und sich am Ende trotz alldem was ihm zuwider steht befreit und auf seine eigene Reise außerhalb des Blocks geht.

Die Hommage an seinen neugeborenen Sohn im letzten Song ist wie ein Sinnbild für den Reifeprozess, den OG Keemo durchlaufen hat und gewährt den Hörer:innen einen Einblick in den Entstehungsprozess des Albums.

Ein kleiner Einblick in OG Keemo’s düstere Welt

Alles in Allem ist das Album ein würdiger Nachfolger der ersten beiden Alben „Skalp“ und „Geist“ und reiht sich so perfekt in die Trilogie der bisher erschienenen Alben ein. Liebhaber:innen des lyrischen Gangster-Rap sollten sich also vierundfünfzig Minuten Zeit nehmen um „Mann beißt Hund“ aufmerksam durchzuhören und in die dunkle Welt OG Keemos einzutauchen.

Mann beißt Hund ist am 07.01.2022 über Chimperator Productions erschienen.