Kommentar

Freispruch für Kyle Rittenhouse

/ / Bild: M94.5 / Vroni Kallinger

Vergangenen Freitag endete im US-Bundestaat Wisconsin der Prozess gegen Kyle Rittenhouse. Ihm wurde vorgeworfen, bei Protesten, zwei Demonstranten mit einem Sturmgewehr erschossen zu haben. Nun wurde der 18-Jährige in allen Anklagepunkten freigesprochen. Ist dieser Freispruch Symptom eines kaputten Systems?
Ein Kommentar von Giovanni Nutsua.

Der Prozess um Kyle Rittenhouse zeigt erneut auf, dass in den USA Gewalt gegen Andersdenkende ein legitimes Mittel zu sein scheint. Selbst der amtierende US-Präsident Joe Biden hinterfragt das Urteil nicht. Dazu gibt er bloß ein kurzes Statement:

„I stand by what the jury has concluded. The jury system works and we have to abide by it.

US-Präsident Joe Biden zu dem Freispruch von Kyle Rittenhouse.

Seiner Meinung nach funktioniert das System also. Der demokratische Präsident scheint hier keinerlei Solidarität mit den Geschädigten oder deren Hinterbliebenen zu zeigen. „Das System funktioniert“ – ein System das also das Töten von Andersdenkenden legitimiert, ein System, das diskriminiert, ein System das nicht gerecht ist? Nein, so ein System funktioniert vielleicht, aber es ist kein gesellschaftlich fähiges.

Black Lives Matter vs. Blue Lives Matter

Die Ermordung von George Floyd ist ein weiteres trauriges Beispiel dafür, dass die Polizei alles andere als gerecht handelt. Auch der Fall um Jacob Blake führt vor Augen, dass zuerst geschossen und dann gefragt wird. Blake ist – anders als George Floyd noch am Leben, wird aber nach den sieben Schüssen, die ihn trafen, nie wieder gehen können – als Opfer von politisch motivierter Gewalt.

Bild: shutterstock / Tverdokhlib

Und hier kommt Kyle Rittenhouse ins Spiel. Er reiste aus seiner etwa 30 Kilometer entfernten Heimatstadt an, um als Demonstrant teilzunehmen. Allerdings nicht als Unterstützer der Black Lives Matter-Bewegung, sondern der Gegenbewegung Blue Lives Matter. Deren Anhängerschaft wehrt sich gegen die Verurteilung von Polizist:innen als Hassverbrecher:innen. Rittenhouse schoss mit einem halbautomatischen Sturmgewehr auf Demonstrant:innen. Zwei Menschen wurden dabei getötet, ein dritter verletzt.

“Not Guilty!”

Rittenhouse wurde daraufhin wegen Mordes, Totschlags und versuchten Mordes angeklagt. Allein die Reaktionen der US-amerikanischen Bevölkerung zeigen, dass Gerechtigkeit ein weit dehnbarer Begriff ist. Schon früh wurde der damals 17-Jährige von den Konservativ-Rechten unterstützt. Es wurde eine Kaution von 2 Millionen US-Dollar festgesetzt, die durch Spenden in kürzester Zeit aufgebracht wurde – er war also bis zum Prozess ein freier Mann! So mancher bezeichnete ihn sogar als Helden! Unterstützt wurde er selbst von höchster Stufe. Nämlich von Bidens Vorgänger Donald Trump. Er ist sich auch jetzt nicht zu schade für einen Kommentar und übermittelt sogar noch Glückwünsche an Rittenhouse. Er fügt folgende Worte hinzu:

“It’s called being found NOT GUILTY – And by the way, if that’s not self defense, nothing is!“

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump zu dem Freispruch von Kyle Rittenhouse.

Auch Trump vertritt die Meinung, dass das System funktioniert. Opfer werden als Täter verunglimpft und die Rechten feiern einen weiteren Sieg gegen all jene, die sich nach Gleichberechtigung und Gerechtigkeit sehnen.

Rittenhouse beendet die Leben von zwei unbewaffneten Menschen. Menschen, die nicht nur Opfer rechter Gewalt geworden sind, sondern auch eines versagenden Rechtssystems. Ein System, das zulässt, dass sich ein 17-Jähriger mit einem Sturmgewehr bewaffnet. Das zulässt, dass ein in einem Mordfall Angeklagter gegen Bezahlung auf freiem Fuß bleiben darf. Das zulässt, dass Täter zu Helden gemacht werden. Ein solches System kann nicht funktionieren und ist weit davon entfernt gerecht zu sein.