Spielart Festival 2021
CRIA
Gemeinschaft und Familie, Sex und Freundschaft – Diese Themen beschäftigen junge Menschen in Brasilien derzeit. In der Performance Cria bringen das zehn brasilianische Tänzer:innen zum Ausdruck.
Es ist dunkel. Auf einmal startet laut dröhnende Party-Musik mit brasilianischen Bässen. Die Scheinwerfer gehen an und beleuchten den hinteren Teil der Bühne. Ein Tänzer in roter Samthose und rotem Federbolero kommt mit schnellen Beinen und rhythmischen Bewegungen auf die Bühne und tanzt sich von der linken zur rechten Seite. Er bringt eine unglaubliche Energie und Lebenslust mit auf die Bühne, welche direkt auf das Publikum überschlägt und über die gesamte Dauer der Tanzperformance bestehen bleibt. Nachdem der erste Tänzer die Bühne verlassen hat, kommt direkt die nächste Tänzerin auf die Bühne und bietet ihre Show. Es ist wie ein zur Schau stellen von sich selbst. Die 10 Tänzer:innen kommen von links nach rechts oder von rechts nach links über die Bühne getanzt. Mal alleine, mal zu zweit, mal zu dritt, aber immer steht ihre Individualität und Persönlichkeit im Vordergrund.
Cria = junges Wesen/ Cria = hervorbringen
Cria hat auf Portugiesisch zwei Bedeutungen: “junges Wesen” und als Verb “hervorbringen”. In Brasilien wird durch das Wort zusätzlich auch ausgedrückt, aus welchem Slum man stammt. Alle diese Bedeutungen bringt die Tanzperformance zusammen. Mithilfe des Dancinha-Tanzes (kleiner Tanz), welcher eine Verflechtung von Funk mit zeitgenössischem Tanz ist, zeigen die 10 brasilianischen Tänzer:innen der Gruppe Cia Suave unter der Leitung der Choreografin Alice Ripoll, was junge Menschen zurzeit in Brasilien erleben und woran sie sich erinnern. Es geht um ihre Geschichten und wer sie sind. Individualität, Zugehörigkeit und neues Leben spielen dabei eine große Rolle. Immer mal wieder sind die Tänzer:innen einzeln und dann wieder in der ganzen Gemeinschaft zu sehen. Es gibt ein Ich, aber auch ein Wir.
Lust auf eine Tanz-Orgie?
In dem Tanz-Stück wird variiert zwischen richtig lauter brasilianischer Party-Musik und dann im Kontrast dazu kompletter Stille. Lange bleibt es aber nicht still, denn auf der Bühne wird geredet, gelacht, gestöhnt, gesungen und geschrien. Cria nimmt sich nicht zu ernst. Alles ist mit einem Augenzwinkern versehen und wird ein bisschen ins Lächerliche gezogen, wie zum Beispiel eine Orgie die zwischen allen Darsteller:innen tänzerisch auf der Bühne stattfindet. Die Gefühle wechseln von Spaß und Lust, aber auch teilweise zu Ernsthaftigkeit und Wut. Diese Wut wird aber symbolisch verstummt und von der Gruppe aufgenommen. Charakteristisch ist auch, dass die Tänzer:innen zwischendrin zwar immer mal wieder alleine sind, aber am Ende doch alle gemeinsam als Kollektiv dastehen. Als Zuschauer:in wird man mit in ihre Geschichte genommen und egal wie schlecht gelaunt man vor der Performance noch war, nach Cria geht man auf jeden Fall mit einem Lächeln in die eigene Welt zurück.
CRIA von Alice Ripoll und Cia Suave war vom 28.-30.10.21 beim Spielart Festival in München zu sehen.