Filmkritik
Der Hochzeitsschneider von Athen
In seinen Fünfzigern muss sich der introvertierte Schneider Nikos neu orientieren. Das Familienunternehmen steht vor dem Ruin – nach der Wirtschaftskrise in Griechenland gibt niemand mehr Geld für Maßanzüge aus. Die deutsch-griechische Regisseurin Sonia Liza Kenterman verpackt seine Geschichte in eine charmante Sozialstudie voller leisem, schrägem Humor.
Es dauert lange, bis das erste Wort fällt in Der Hochzeitsschneider von Athen. Nikos (Dimitris Imellos) ist kein Mann großer Worte, er ist ein Mann der Tat. Seine Leidenschaft gilt seiner Arbeit. Den Laden seines Vaters führt der Junggeselle gewissenhaft. Standesgemäß ist er immer akkurat gekleidet, schließlich schneidert er Maßanzüge aus feinsten Stoffen. Nur leider kann sich niemand mehr den edlen Zwirn leisten. Nikos wartet vergeblich auf Kundschaft. Als sein Vater einen Schlaganfall erleidet, muss er kreativ werden, damit das überschuldete Familienunternehmen nicht zwangsversteigert wird.
Sonia Liza Kenterman lässt ihren Protagonisten mit einem mobilen Laden durch die Straßen Athens ziehen. Auf dem Markt, zwischen Gemüse und Fisch, wirkt Nikos nicht nur wie sonst aus der Zeit gefallen, er ist fehl am Platz. Unverdrossen, aber skurril – wie eine Mischung aus dem pedantischen Seriendetektiv Monk und dem ungeschickten Mr. Bean – fällt er allerdings auf und wird deshalb gefragt, ob er nicht auch Brautkleider anfertigen könnte. Nach anfänglichem Zögern lässt er sich darauf ein. Sein Vater wertet das als Schande für den Berufsstand: Kleider seien nur etwas für Näherinnen, Schneider machen Anzüge! (Tatsächlich sind Damen- und Herrenschneider auch in Deutschland zwei verschiedene Ausbildungsberufe mit traditionell unterschiedlichem Renommee.)
Mit Poesie aus einer hoffnungslosen Situation
Gut anderthalb Stunden dauert der poetische Film, der mit wenig Dialog die hoffnungslose Lage in einem wirtschaftlich gebeutelten Griechenland einfängt. Trotz aller Probleme bleibt Nikos zuversichtlich. Er nimmt es mit Humor, etwa, wenn er seiner Nachbarin lachend erklärt: „Von hier sieht man meine Insel. Das Haus gehört uns noch heute. Da könnten wir natürlich keine Hochzeitskleider nähen. Dort werden keine Ehen mehr geschlossen. Dort wird nur beerdigt.“
Trotz des eigentlich düsteren Themas ist Kentermans Film mit humorvollen, manchmal sogar surrealen Szenen durchzogen. Zum Beispiel, wenn sich Nikos mit seinen perfekten Umgangsformen durch Unmengen an Tüll, Pailletten und Spitze kämpfen muss. Oder wenn er bei seinen Kundinnen Maß nehmen darf, was den schüchternen Mann sichtlich überfordert. Sogar eine Liebesgeschichte findet in der Story Platz, wenn auch ohne klassisches Hollywood-Ende. Dieses charmante Spielfilmdebüt macht der kleinen griechischen Kinoszene jedenfalls keine Schande – ganz im Gegenteil!
Der Hochzeitsschneider von Athen läuft ab 26. August in den deutschen Kinos.