Junge Menschen und die Liebe
Generation beziehungsunfähig?
Einmal tippen, nach rechts swipen und dann nie wieder melden – Dating ist durch Apps wie Tinder oder Bumble so einfach und gleichzeitig so unverbindlich wie nie zuvor. Genau davon handelt auch der Film Generation beziehungsunfähig, der ab dem 29. Juli in den deutschen Kinos läuft. Aber sind wir als junge Menschen wirklich nicht in der Lage, langfristige Beziehungen zu führen?
Die Digitalisierung ist schuld. Daran, dass wir weniger miteinander reden, die Printzeitung ausstirbt und Rentner:innen nicht mehr aus Katalogen bestellen können. Und natürlich daran, dass junge Menschen unfähig geworden sind, Beziehungen einzugehen. Durch Datingapps ist die Auswahl potenzieller Partner:innen riesig geworden. Wenn man düsteren Prognosen glauben will, führt das aber letztlich dazu, dass niemand mehr eine Beziehung eingehen will. Schließlich könnte nach dem nächsten Swipe noch jemand Besseres warten. Genau damit beschäftigt sich auch der Film Generation beziehungsunfähig, der auf dem gleichnamigen Sachbuch von Michael Nast basiert. Regisseurin Helena Hufnagel zufolge scheitern Beziehungen aber nicht an mangelnden Fähigkeiten junger Menschen, sondern vielmehr am fehlenden Willen.
“Beziehungsunfähigkeit sagt aus, dass man ein psychologisches Problem haben könnte. Gemeint ist aber, dass man versucht, eine Ausrede für das eigene Datingverhalten zu schaffen. Deshalb könnte es genauso gut Generation beziehungsunwillig heißen, weil ich eher finde, dass die Generation keine Beziehung will.”
Helena Hufnagel, Regisseurin des Films Generation beziehungsunfähig
Aber haben wir wirklich die Lust an Langfristigkeit verloren? Ein Blick auf aktuelle Zahlen legt diese Vermutung zumindest nahe: Jede dritte Ehe wird geschieden und damit wesentlich mehr als noch zu Zeiten unserer Großeltern. Trotzdem stellt sich die Frage, ob das automatisch auf die Beziehungsfähigkeit unserer Generation schließen lässt.
Fest steht: Ehen im 21. Jahrhundert genießen wesentlich mehr Freiheiten als früher. Bis zum Jahr 1976 galt in Deutschland bei der Eheschließung das sogenannte Schuldprinzip. Das bedeutet, dass für jede gescheiterte Ehe ein:e Schuldige:r festgelegt wurde, der oder die die finanziellen Folgen zu tragen hatte. Das macht eine Scheidung trotz persönlicher Differenzen wenig attraktiv. Sicherlich ist diese Gesetzesänderung aber nicht der einzige Grund, warum Scheidungen zugenommen haben. Was sich nach einer unsicheren Zukunft für Beziehungen anhören mag, hält uns aber nicht davon ab, auch heute noch bereitwillig eine Ehe zu schließen – zum Teil sogar im jungen Alter. Melina Pischulti, gerade mal 23 Jahre alt, ist bereits seit acht Jahren mit ihrem Partner zusammen und mittlerweile sogar mit ihm verheiratet. Trotzdem war auch sie nicht von Zweifeln verschont.
“Ich hatte tatsächlich so ein Mini-Tief direkt vor der Hochzeit. Ich war nicht in Bars, hab’ mich nie abschleppen lassen… Aber das hat sich dann schnell wieder gelegt.”
Melina Pischulti, M94.5 Redakteurin
Schlussendlich stand für sie fest: sie hatte ihren Partner fürs Leben bereits gefunden und brauchte nicht länger zu warten. Damit eine Beziehung oder gar Ehe aber auch langfristig funktionieren kann, gilt es einige Herausforderungen zu meistern. Melinas Credo: Kommunikation ist der Schlüssel. Denn nur, wenn die eigenen Bedürfnisse auch kommunziert werden, können Probleme bereits im Keim erstickt werden.
Miteinander reden – leichter gesagt, als getan. Paarberaterin Sandra Neumayr weiß, dass es vielen Paaren schwerfällt, über deren Beziehung zu reflektieren. Das liegt ihr zufolge auch daran, wie wir die Beziehung unserer Eltern miterlebt haben. Wer schon in Kindheitstagen vermittelt bekommen hat, dass jede Ehe zum Scheitern verurteilt ist, wird mit diesem Glaubenssatz möglicherweise auf Probleme stoßen. Das kann unter anderem dazu führen, dass der oder die Partner:in für schuldig befunden wird, statt das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.
“Man muss aus den Streitmustern der frühen Kindheit – also, Bocken, Drohen und so weiter – heraus und souveräner mit der Situation umgehen. Vor allem ist wichtig, dass sich jedes junge Paar bewusst macht: Sie schreiben eine neue Geschichte und leben nicht die ihrer Eltern weiter.”
Sandra Neumayr, psychologische Leitung der Paarberatung München
Trotz allem ist klar, dass es uns jungen Menschen möglicherweise auch an Erfahrung fehlt, um unsere Bedürfnisse und Wünsche formulieren zu können. Das sei Sandra Neumayr zufolge auch richtig und wichtig so. Doch was bedeutet das nun für das Liebesleben junger Menschen? Vielleicht sind wir wirklich beziehungsunwillig. Nicht jede, nicht jeder, aber zumindest einige von uns. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass wir als Generation beziehungsunfähig bezeichnet werden können. Vielmehr liegt es an jedem Einzelnen und jeder Einzelnen, an sich selbst zu arbeiten.