26 Jahre nach Srebrenica
Der vergessene Völkermord
TRIGGERWARNUNG: Krieg, Flucht, sexuelle Gewalt, Genozid, Rassismus
8732 Menschen wurden vor 26 Jahren in Srebrenica ermordet. Der Genozid an den Muslim:innen in Bosnien, den Bosniak:innen, durch christliche Serb:innen lässt sich aber nicht an einem Tag festmachen. Das Massaker von Srebrenica war der furchtbare Höhepunkt eines Völkermordes. Damals wie heute ist das öffentliche Interesse daran eher gering, obwohl der Genozid in unmittelbarer Nähe und unter den Augen der UN stattgefunden hat.
Srebrenica – ein Synonym für Völkermord
Zwischen dem 11.07. und 19.07.1995 haben serbische Truppen über 8000 Bosniak:innen ermordet, die meisten davon Männer und Jungen. Der Ort liegt im Osten von Bosnien und Herzegowina und war seit Kriegsbeginn stark umkämpft. Der Großteil der Bevölkerung war bosniakisch, die Truppen aus Serbien versuchten aber immer wieder die Stadt einzunehmen.
Keine Tragödie, sondern Genozid
Die christlichen Serb:innen verfolgten mit dem Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 das Ziel, ein ethnisch homogenes Großserbien zu schaffen. Die muslimische Bevölkerung in Bosnien, die Bosniak:innen, sollten den christlichen Serb:innen weichen. Obwohl der internationale Gerichtshof das Massaker von Srebrenica als Genozid eingestuft hat, wird der Völkermord in weiten Teilen Serbiens nach wie vor geleugnet oder ignoriert.
Der Völkermord in Srebrenica gehört allerdings zu den am besten dokumentierten. Forensiker:innen haben jahrzehntelang die Überreste der Ermordeten, die häufig auf viele Massengräber verteilt waren, analysiert. Gut 6000 Tote konnten identifiziert und in der Gedenkstätte in Srebrenica beigesetzt werden. Trotzdem beschreiben Medien vor Ort wie im Rest von Europa den Völkermord häufig als Massaker oder Tragödie.
Ignoriert, geleugnet oder umgedeutet
Die Journalistin Melina Borčak ist selbst vor dem Genozid in Bosnien und Herzegowina geflohen. Sie kritisiert, dass die öffentliche Debatte den Völkermord häufig nicht als solchen benennt – sofern er überhaupt zur Sprache kommt. Auch die Rolle der Blauhelmsoldat:innen beim Völkermord wird ihrer Meinung nach verschwiegen. Die Historikerin Marie-Janine Calic kritisiert, dass die UN-Soldat:innen zu Kompliz:innen des Genozids geworden sind, ihrer Meinung nach allerdings unwissentlich.
Fest steht, dass der Genozid an den Bosniak:innen mitten in Europa passiert ist und nicht verhindert wurde. Die Folgen für die Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten sind bis heute präsent. In der Öffentlichkeit geht die Erinnerung daran allerdings häufig umfirmiert als Tragödie unter.