Filmfest 2021
DER MASSEUR (NEVER GONNA SNOW AGAIN)
Es herrscht Einsamkeit und Sehnsucht in einer polnischen Gated Community. Als der ukrainische Masseur Zhenia beginnt, den Villen Hausbesuche abzustatten, hilft er den Bewohner:innen nicht nur mit ihren Verspannungen.
An einem nebligen Herbsttag wandert Zhenia (Alec Utgoff, bekannt aus Stranger Things) mit einem Rucksack und seiner Massage-Liege über die ukrainische Grenze nach Polen ein. Er strahlt tiefe Gelassenheit aus, während er die Treppen der Einwanderungsbehörde Warschaus hochsteigt. Im Büro des zuständigen Beamten wird er nach seiner Herkunft gefragt – einem kleinen Dorf bei Tschernobyl. Ist er womöglich verstrahlt? Zhenia antwortet nicht. Er spürt die Leiden des Beamten und hilft ihm mit seinen heilenden Händen. Die Arbeitserlaubnis in der Tasche, findet er schnell Kundschaft in einem reichen Vorstadtviertel.
Bilder so heilend wie Zhenias Hände
Immer ruhig und ohne zu urteilen, beobachtet Zhenia das Leben der Reichen. Er hört sich ihre Sorgen an und lindert ihren Schmerz. Denn trotz des Reichtums ist die Stimmung in den völlig gleich aussehenden Villen grau. Die Heilung, die Zhenias Klient:innen finden, zeigt sich auch in der Bildsprache des Films. So hat ein einsamer, nebliger Wald hier weniger Bedrohlichkeit, als eine übernatürliche Ruhe. Gleichzeitig aber ist Der Masseur auch eine Satire auf die Oberflächlichkeit des Spießbürgertums. Dabei bleibt der Film humorvoll ohne in Bitterkeit abzurutschen. Regisseurin Szumowska balanciert geschickt Trauer und Heiterkeit und legt so einen Film vor, der nachwirkt.
Bedeutende Regisseurin des polnischen Kinos
Der Masseur ist nicht der erste gemeinsame Film von Małgorzata Szumowska (Regie) und Michał Englert (Kamera). Die beiden drehen schon seit 25 Jahren gemeinsam Dokumentar-/Kurz- und Spielfilme. Szumowska widmet das Filmfest gemeinsam mit der Streaming Plattform Mubi eine eigene Filmreihe. Deswegen zeigt Mubi aktuell unter anderem „Die Maske“ (2018). Auch in diesem Film ist eine einengende, spießige Vorstadt die Kulisse. Körperbilder der modernen polnischen Gesellschaft sind ein weiteres wiederkehrendes Thema in Szumowskas Werk.
Auch in Der Masseur zeigt das Duo die Oberflächlichkeit, aber auch die innere Leere der Mitglieder ihrer Gated Community. Inspiriert wurde es durch die Ereignisse der 90er Jahre in Polen und der Flucht in den Kapitalismus. Das sensible Drama wurde bereits für einige Preise nominiert (u.a. für den Goldenen Löwen von Venedig) und hat den Polnischen Filmpreis für die beste Kamera gewonnen.
Der Masseur war in der Reihe „Hommage/Małgorzata Szumowska“ auf dem Filmfest München zu sehen und wird voraussichtlich am 19. August 2021 in die Deutschen Kinos kommen.