M94.5 Albenreview
Garbage – No Gods No Masters
Auf ihrem siebten Album No Gods No Masters nehmen die Alternative-Rock-Veteranen Garbage kein Blatt vor den Mund und konfrontieren Zuhörer:innen mit den globalen Unruhen unserer Zeit.
„Es ist unser Versuch, einen Sinn darin zu finden, wie irre und verrückt die Welt geworden ist und in welch unglaublichem Chaos wir uns befinden. Es ist die Platte, von der wir das Gefühl hatten, dass wir sie exakt zu diesem Zeitpunkt machen mussten”, erzählt Garbage-Frontfrau Shirley Manson. Themen, die vom alarmierenden Klimawandel über die Black Lives Matter-Bewegung bis hin zur „Me Too“-Thematik reichen, verursachen immer größere Risse in der „heile Welt“-Fassade unserer Gesellschaft. Und genau darum geht es in No Gods No Masters. Unsanft und wütend rütteln die Rockgrößen aus Madison diejenigen wach, die bis vor Kurzem noch von einer perfekten Welt geträumt haben.
Dämonen der Gesellschaft
Persönliche Texte über innere Dämonen hatten schon das vorangegangene Album Strange Little Birds geprägt. Fans könnten im neuen Album allerdings von den sozio-politischen Kommentaren überrascht sein. Doch Manson ist dafür bekannt, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Also ist es auch an der Zeit, dass sich das in ihrer Musik widerspiegelt. Schon der Opener „The Men Who Rule the World” gibt den Ton des Albums an. Inspiriert von David Bowies Album Young Americans, protestiert Manson im Song gegen die reichen Männer der Welt, deren Gelder zur Umweltzerstörung beitragen. Passend zu den aufgeladenen Texten bewegt sich der Sound im dystopischen Industrial Cyber-Punk.
In eine andere Gefühlswelt tauchen Zuhörer:innen mit dem ruhigeren Song „Waiting for God“ ein, eine Black Lives Matter Hymne. Ruhig heißt aber nicht weniger kraftvoll präsentiert der Song schwerwiegende Lyrics.
“Smiling at fireworks that light all our skies while black boys were shot in the back
where they caught riding their bike or guilty of walking alone”
Die Gesangswechsel und düstere Instrumentals führen zu einem enorm fesselnden Titel mit Gänsehaut-Potential. Direktere Lyrics hört man in Liedern wie „Godhead“. Hier kritisiert die Band die patriarchische Gesellschaft mit vulgären Texten wie
“If I had a dick would you blow it?“.
Wohlig unangenehm
Wer sich noch an den politischen Charakter der Band gewöhnen muss, fühlt sich in Songs wie „Uncomfortably Me“ bestimmt wohler. Ganz in Garbage-Manier treffen hier poppige Synth Elemente auf Introspektion. Den Einfluss der Art-Rock Band Roxy Music, der sich durch das gesamte Album zieht, hört man hier besonders gut raus. Auch Einflüsse von New Wave Bands wie Depeche Mode sind im Album zu hören. So bewegt sich die Band von hartem Industrial über New Wave bis hin zu wildem Pop. Auf jeden Fall ist No Gods No Masters düsterer als seine Vorgänger. Das merkt man auch stark am Titel „A Woman Destroyed“, der von einer Trennungs-Rache-Fantasie erzählt und an Horror Film Melodien erinnert.
Garbage präsentiert mit No Gods No Masters ein musikalisch gelungenes Album und beweist die Reife der Band. Durch politisch und sozial aufgeladene Songs zeigt sich die Gruppe von einer Seite, die ihre Fans bisher noch nicht kannten – ohne dabei ihren „Marken-Sound“ zu verlieren. Die unermüdliche negative Haltung des Albums hätte aber ein paar Pausen vertragen können, da sie die Geduld beim Hören zeitweise auch überstrapazieren kann.
No Gods No Masters ist am 11. Juni 2021 über Stunvolume / Infectious Music (BMG) erschienen.