Co-Parenting
Die Zukunft der Familie?
Alternative Familienmodelle gewinnen immer mehr an Anerkennung. Eines davon ist Co-Parenting. Im Gegensatz zu dem herkömmlichen Familienbild steht dabei allerdings nicht die romantische Liebe zwischen den Elternteilen im Vordergrund. Und auch die Anzahl der Eltern kann variieren.
Zwei oder mehr Menschen tun sich freundschaftlich zusammen und gründen eine Familie. Co-Parenting gibt Menschen die Möglichkeit ihren Kinderwunsch zu erfüllen, auch wenn sie entweder biologisch gar keine Möglichkeit dazu haben oder nicht in einer romantischen Liebesbeziehung leben wollen.
Christine Wagner lebt in einer solchen Co-Elternschaft. Lange hat sie mit ihrer Partnerin eine glückliche Beziehung geführt, bis ihr Kinderwunsch größer wurde. Zusammen mit ihrer Freundin entschied sie sich, dass sie nicht nur einen biologischen, sondern auch einen sozialen Vater – vereint in einer Person – als Vater ihres Kindes haben möchten. Also jemand, der sich auch aktiv an der Erziehung des Kindes beteiligt.
Wer ist der oder die Richtige?
Doch es ist nicht einfach die passende Partnerin oder – wie in diesem Fall – den passenden Partner dafür zu finden. Die Wahrscheinlichkeit ist klein, dass zufällig im Freundeskreis eine Person dabei ist, die auch ohne romantische Liebesbeziehung auskommt oder auskommen möchte. Christine Wagner nahm das zum Anlass mit ihrer Partnerin die Online-Plattform familyship.org zu gründen, auf der auch sie ihren Vater der heute 7-jährigen Tochter kennenlernten. Mittlerweile sind dort, laut der beiden Gründerinnen, gut 6.000 aktive Nutzer:innen angemeldet, die sich miteinander vernetzen können.
Tatsächlich bietet Co-Parenting aber nicht nur homosexuellen Personen die Möglichkeit Kinder zu bekommen. Die Anmeldungen bei ihrer Plattform haben zu Beginn auch Christine Wagner verwundert: “Wir dachten am Anfang es wäre vor allem für schwule und lesbische Menschen, aber es hat sich herausgestellt, dass der größte Teil heterosexuelle Single-Frauen, so Mitte/Ende 30 sind”.
Die Vor- und Nachteile
Allgemein bietet Co-Parenting einen großen Interpretationsspielraum. Von getrennten Eltern, die ihr gemeinsames Kind weiterhin zusammen großziehen, bis zu vier oder mehr Elternteile, die sich um ein Kind kümmern, ohne jemals romantische Gefühle füreinander gehabt zu haben, kann vieles mit einbezogen werden.
Soziologin Christine Wimbauer sieht allerdings eher Letzteres als die typische Co-Elternschaft. In ihrem Buch “Co-Parenting und die Zukunft der Liebe” hat sie das Familienmodell untersucht und potenzielle Vor- und Nachteile herausgearbeitet.
Als einen positiven Punkt sieht sie, dass die Elternbeziehung emotional entlastet wird, da sie weniger Konfliktpotenzial birgt. Zumindest im Hinblick auf die Liebe oder auch mangelnde Liebe zwischen den Elternteilen. Kritiker:innen sehen das aber auch als potenzielle Gefahr. Wie lernen die Kinder mit Konflikten umzugehen, wenn sie diese selten oder gar nicht bei ihren Eltern mitbekommen? Christine Wagner kann aus ihrer eigener Beziehung sagen, dass es auch ohne Liebeskonflikte genug Fragestellungen gibt, die Konfliktpotenzial bergen. “Die Frage nach dem Religionsunterricht in der Schule oder auch Wochenendzeiten bei Großeltern zum Beispiel.”
Einen weiteren Vorteil der Co-Elternschaft, den Christine Wimbauer nennt, ist die größere Zahl an Elternteilen. “Irgendjemand hat immer Zeit!”, sagt die Geschlechtsforscherin und fügt zwinkert an: “Außerdem gibt es vielleicht auch mehr Weihnachtsgeschenke.”
Aber auch das zieht wieder Probleme mit sich, vor allem auf rechtlicher Ebene: Noch sind in Deutschland nur zwei Erziehungsberechtigte erlaubt. Alle weiteren Eltern sind auf dem Papier nicht verantwortlich für das Kind. Das kann vor allem ein Problem werden, wenn einem Elternteil, das nur sozial und nicht rechtlich für das Kind sorgt, etwas passieren sollte. Als mögliche Lösung sieht sie, dass alle Elternteile eine Erziehungsberechtigung bekommen. Christine Wagner, die selbst davon betroffen ist, geht allerdings nicht so weit. “Ich glaube es ist sinnvoll, wenn es zwei Haupt-Elternteile gibt und zwei Neben-Elternteile, die immerhin noch ein kleines Sorgerecht haben.” Im Blick hat sie da vor allem, dass ein Kind nicht für vier Elternteile aufkommen sollte, wenn sie pflegebedürftig werden sollten. Ein Gesetz, das diese Frage lösen könnte, ist allerdings noch nicht in Sicht.
Deshalb findet es Christine Wimbauer wichtig, bis dahin die gesellschaftliche Anerkennung von Co-Parenting-Modellen zu verbessern. Noch leben wir in einer Romantik- und Liebezentrierten Gesellschaft. Aber die Soziologin ist zuversichtlich: “Gesellschaft ist immer in Bewegung und ich denke, dass sich da was tut in Zukunft.”