FILMKLASSIKER DER WOCHE

Der Soldat James Ryan

/ / Bild: Paramount

American Sniper, Pearl Harbour oder Der Patriot: Wer sich einen US-amerikanischen Historienfilm anschauen will, muss sich auf eine ordentliche Portion Pathos und Patriotismus einstellen. Mit Saving Private Ryan hat Steven Spielberg 1988 bewiesen, dass es auch anders geht.

Zugegeben: Ganz ohne den typisch amerikanischen Nationalstolz kommt auch Spielbergs Zweiter-Weltkriegs-Klassiker nicht aus. Allerdings beschränkt sich der Patriotismus auf die Rahmenhandlung, die in den ersten und den letzten paar Minuten des Films erzählt wird. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das Drehbuch aus der Feder von Robert Rodat stammt, der zwei Jahre später die Handlung für Der Patriot schreiben sollte.

In der ersten Szene von Saving Private Ryan besucht der gealterte Kriegsveteran James Francis Ryan zusammen mit seiner Familie den Soldatenfriedhof in der französischen Gemeinde Colleville-sur-Mer. Als James Ryan inmitten der scheinbar unzähligen Gräber steht, die jeweils von einem großen, weißen Kreuz geziert werden, erinnert er sich zurück an die wohl entscheidendsten Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs.

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Trailer zum Film Der Soldat James Ryan

Schonungslose Kriegsdarstellungen

Damit setzt eine Rückblende ein, die mit der Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day, beginnt. Ohne lange Anlaufzeit werden die Zuschauer:innen mitten hinein ins Kampfgeschehen geworfen. Anders als an anderen Landungspunkten sind die Deutschen in dem Küstenabschnitt Omaha Beach gut auf die Ankunft der Alliierten vorbereitet – es kommt zu einem Gemetzel. Die Aufnahmen des Kameramanns Janusz Kamiński sind ebenso brutal wie chaotisch: Verwackelte Kamerabilder zeigen in je längeren Einstellungen, wie dutzende amerikanische Soldaten im Kugelhagel zu Boden gehen oder von Bomben regelrecht zerrissen werden.

Nach kurzer Zeit ist der Strand voller Leichen und verwundeter Soldaten, denen die Eingeweide aus den Bäuchen quellen oder die verzweifelt nach ihren Müttern rufen. Zusammen mit der stolzen Länge von zwei Stunden und 45 Minuten dürfte diese Brutalität für viele Zuschauer:innen anstrengend sein. Unter dem Kommando von Captain John H. Miller, gespielt von Tom Hanks, der den Angriff zu Ende führen muss, weil alle ranghöheren Offiziere gestorben sind, gelingt es den Amerikanern letztlich unter großen Verlusten, die Befestigungen der Deutschen einzunehmen.

Der Soldat James Ryan. Bild: Paramount

Vom Wert eines Menschenlebens

Nach dieser ebenso berühmten wie beeindruckenden Anfangssequenz beginnt die eigentliche Handlung, die dem Film seinen Titel gibt. Ein kleiner Trupp unter dem Kommando von John Miller wird beauftragt, einen jungen Soldaten mit dem Dienstgrad eines Privates (im Deutschen: Gefreiter) aus dem französischen Kriegsgebiet zu evakuieren. Dieser Private, gespielt von Matt Damon, ist der letzte der vier Ryan-Brüder, der noch nicht im Krieg gefallen ist, und soll deshalb zu seiner Mutter zurückgeschickt werden. Passend dazu wird im Laufe des Films immer wieder die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens gestellt – und die Frage danach, ob und wie Leben sich zahlenmäßig gegeneinander aufwiegen lassen. Die Suche nach James Ryan stellt sich alles andere als einfach dar. Als sie ihn schließlich finden, erwartet John Miller und seine Truppe eine große Überraschung.

Saving Private Ryan thematisiert nicht den klassischen Kampf von Gut gegen Böse, sondern zeigt ohne zu beschönigen, was Menschen bereit sind, sich gegenseitig anzutun. Genauso wie die deutschen Soldaten begehen hier auch Amerikaner immer wieder grausame Kriegsverbrechen, zum Beispiel, indem sie Gefangene, die sich bereits ergeben haben, hinrichten. Allein für diesen schonungslosen Blick lohnt es sich, den Film nachzuholen oder ihn erneut anzusehen.

Ein weiterer Pluspunkt ist wieder einmal Tom Hanks, der keinen unerschütterlichen und heldenhaften Offizier verkörpert, sondern einen Mann, der unter der Allgegenwart des Todes leidet und auch mal weinend zusammenbricht.  Womit Zuschauer:innen aber leben können sollten, sind einerseits die Brutalität und andererseits die letzte Einstellung des Films, die nur so vor Nationalstolz trieft: Eine Nahaufnahme der stolz im Wind wehenden US-amerikanischen Flagge unterlegt mit der feierlichen Musik John Williams’.

Der Soldat James Ryan ist aktuell auf Amazon Prime zu sehen.