Filmschoolfest München 2020
All movements should kill the wind
Das Filmschoolfest München bietet ein diverses Programm mit Filmen von Filmstudent*Innen aus aller Welt. Ebenso bunt gemischt sind auch die Arten der gezeigten Filme, neben erzählenden Filmen und Dokumentation bietet das Festival auch Platz für Experimentalfilme. Ein besonders gelungener Beitrag ist All movements should kill the wind von Wang Yuyan und das vielleicht gerade deshalb weil der Film eigentlich garnicht unbedingt als Experimentalfilm gedacht war.
Ein Mann geht in Stille durch ein Waldstück, seine Haare und Jacke sind merkwürdig weiß. Dann – nach einem Schnitt – ohrenbetäubender Lärm und im Bild fast nichts zu erkennen. Außer etwas, das wie Staubkörner oder eben eine Bildstörung aussieht. Nach mehreren Wechseln zwischen diesen Szenen wird klar: Der namenlose Mann arbeitet hier und er ist so weiß, weil hier alles weiß ist – vom Steinstaub. Riesige Steine werden an diesem Ort 200 Kilometer entfernt von Peking von Arbeitern zu Blöcken, Schalen und Statuen verarbeitet. In All movements should kill the wind wird dieser staubtrockenen Arbeit Lebendigkeit eingehaucht.
Eine hypnotische Erfahrung
Das funktioniert natürlich einerseits auf der Bildebene. Alles ist hier gefärbt vom Steinstaub: Mensch, Maschine, Natur. Oftmals wird dann der Blick komplett von weiß bedeckt und es ist unklar, ob man Staubwolken oder doch weiße Meeresgischt betrachtet. Perfekt dazu passt dann eben auch die Tongestaltung des Films, der die triste Arbeit mit Stein zu einer hypnotischen Erfahrung macht. In einer fast musikalischen Passage des Films geben dumpfe Hammerschläge im Hintergrund den Takt vor, während kreischende Steinsägen und das tosende Meeresrauschen eine Art Melodie darüber spielen.
Experimentalfilm wider Willen?
Es wäre zwar auch interessant etwas über die Arbeiter, ihre Lebensbedingungen oder über die offensichtliche Umweltzerstörung an diesem Ort zu erfahren Eine kritische Doku zu machen war aber wegen der Kontrolle durch die chinesischen Behörden kaum möglich. Regisseurin Wang Yuyan hat aus der Not eine Tugend gemacht und deswegen eine abstraktere Herangehensweise gewählt:
„On the other hand the lack of image material lead me to make this choice. Abandon the narrative approach. From an intimate portrait to a sensory perception, from a documentary point of view to an abstract transformation. It’s about a digestion or mutation process. I hope the sound can capture this environment’s emotional texture, to show how all this is dissolved into dust“
Regisseuring Yuyan Wang im Q&A zum Film
Man kann den Behörden also in diesem Fall fast schon danken, denn All movements should kill the wind ist dadurch eine wirklich gelungene audiovisuelle Erfahrung geworden. Als Zuschauer*in wirft man zwar nur einen flüchtigen Blick in diesen seltsamen Ort, doch der lohnt sich.
All movements should kill the wind könnt ihr noch bis 22. November 2020 als Stream auf der Webseite des Filmschoolfests anschauen.