M94.5 Filmkritik

Die Frau des Nobelpreisträgers

/ / Bild: © SquareOne Entertainment

Die Drehbuchautorin von Die Frau des Nobelpreisträgers, Jane Anderson, fragte sich während ihrer Arbeit oft: „Worüber wird das Publikum reden, wenn es aus dem Kino geht?“ Möglicherweise sorgt der Film für neuen Zündstoff in der #metoo-Debatte. Die Zuschauer werden über das Missverhältnis zwischen Mann und Frau, männlichen Chauvinismus und über die Hürden sprechen, die eine Frau, die sich im Literaturbetrieb behaupten will, überwinden muss.

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“Meine Frau schreibt nicht”: Der Trailer zu Die Frau des Nobelpreisträgers.

The Nobel Prize goes to…

Früh morgens im Jahr 1992 erhält Joe Castleman (Jonathan Pryce) einen Anruf aus Schweden. Er wird den Nobelpreis für Literatur erhalten und noch mehr als zuvor als amerikanischer Star-Schriftsteller gefeiert werden. Seine Frau Joan (Glenn Close) klemmt den zweiten Hörer des Haustelefons an ihr Ohr und hat die frohe Botschaft mitgehört. Überglücklich und gar nicht mehr verschlafen tanzt das Ehepaar Castleman auf dem Bett herum. „Wir haben gewonnen!“, krakeelen sie.

Die einvernehmliche Freude währt nur kurz, dann verschwindet Joans Lächeln. Joe und Joan Castleman reisen gemeinsam mit Sohn David (Max Irons) nach Stockholm, um den Nobelpreis entgegenzunehmen. Schon während des Fluges werden sie von dem lästigen Autor Nathaniel Bone (Christian Slater) belagert, der eine Biografie über Joe Castleman schreiben soll und dafür ein wohlbehütetes Geheimnis lüften will. In Stockholm liegen das Preiskomitee, die Kollegen und die Journalisten Joe zu Füßen, während die Frau des Nobelpreisträgers im Hintergrund bleibt und höchstens die Rolle der Sekretärin übernimmt. Joan macht gute Miene zu bösem Spiel, doch tief in ihr brodelt es.

Lass es!

Dass der Film nicht auf einer wahren Begebenheit beruht, sieht man schon daran, dass in Wahrheit Derek Walcott 1992 den Literaturnobelpreis erhalten hat. Der Film Die Frau des Nobelpreisträgers basiert auf dem gleichnamigen Roman der US-Autorin Meg Wolitzer. Obwohl nur die Beziehung zwischen Joe und Joan beleuchtet wird, geht es eigentlich um ein gesellschaftsübergreifendes, universelles Thema: die Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Das wird im Film besonders deutlich, als sich Joan mit der Autorin Elaine Mozell (Elizabeth McGovern) unterhält. Auf Joans Ambitionen, sich im damaligen patriarchalisch geprägten Literaturbetrieb einen Namen zu machen, rät sie ihr: „Lass es!“. Denn niemand würde zu dieser Zeit eine schreibende Frau ernst nehmen, geschweige denn ihre Bücher lesen.

Großes Schauspielerkino

Der schwedische Regisseur Björn Runge zeigt mit Die Frau des Nobelpreisträgers, worauf es wirklich ankommt: das schauspielerische Können der Besetzung. Runge gilt als „Schauspielerregisseur“, der es perfekt beherrscht, die beteiligten Darsteller zu Höchstleistungen zu bringen. Glenn Close glänzt besonders durch ihre nonverbale Schauspielkunst, die sie subtil in das gesprochene Wort einfließen lässt. Sie spielt ihre komplexe Rolle so nuanciert und gefühlvoll, dass sie zum Dreh- und Angelpunkt des Films avanciert. Diesen Umstand versucht auch der deutsche Filmtitel zu betonen, wobei der Originaltitel The Wife deutlich neutraler ausfällt.

Da der Plot erwartbar ist, wird er relativ früh aufgelöst und der Zuschauer erfährt bald, warum Joan Castleman eine so wichtige Rolle spielt. Nach dem Verlassen des Kinosaals ist man sich nicht sofort im Klaren darüber, ob man den Film für gut befindet. Es folgt tagelanges Nachdenken. Das Thema des Films schleicht sich heimlich, still und leise ins Unterbewusstsein des Kinobesuchers. Die Frau des Nobelpreisträgers wirkt nach, und gerade das macht ihn zu einem sehr guten Film.

“Die Frau des Nobelpreisträgers” läuft ab 3. Januar 2019 in den deutschen Kinos.