Platte des Monats: September 2020
Sufjan Stevens – The Ascension
Mit The Ascension zeigt sich Sufjan Stevens in 2020 von einer völlig neuen Seite. Ganz im Gegensatz zu seinem letzten Solo-Album Carrie & Lowell, das sehr ruhig und akustisch aufgenommen wurde, stehen jetzt experimentelle Beats und Synthesizer im Mittelpunkt.
Drei Songs wurden vorab veröffentlicht: Die Singles “Sugar”, “America” und “Video Game”. Um zu verstehen, was Sufjan Stevens mit seinem neuen Album The Ascension sagen will, braucht es Zeit, volle Konzentration und im besten Fall ein gutes Paar Kopfhörer. Auch, wenn das wahrscheinlich für jede Art von Musik gilt – Hier ist es definitiv notwendig.
„MOVE ME“
Wer sich die Zeit nicht nehmen kann, Songs des Albums nebenbei oder im Hintergrund hört, ist schnell von den experimentellen Sounds, den erstmal wirr erscheinenden Lyrics und den vermeintlich endlosen Instrumentalteilen irritiert.
Wer sich aber auf diese Reise einlässt bekommt ein sehr durchdachtes Album zu hören, das viel Raum für eigene Interpretation lässt. Fragen über das Leben, den Tod und Beziehungen werden gestellt, bleiben offen und sollen auch offen bleiben. “Make Me An Offer I Cannot Refuse”, der erste Song auf The Ascension eröffnet das Album. Schon die ersten Zeilen geben, wenn auch sehr indirekt, einen unglaublich tiefen Einblick in seine doch sehr verkopfte Gedankenwelt.
„Move through to me.
Show me the face of all of my dreams.
Was it all for nothing?
Make me an offer I cannot refuse“
Lyrics zu “Make Me An Offer I Cannot Refuse”
ANFANG UND ENDE
Den Song “America” schrieb Stevens tatsächlich schon vor sechs Jahren während der Entstehung des letzten Albums Carrie & Lowell. Trotzdem hat es “America” nie auf die Trackliste geschafft. Einige Zeit später nahm Stevens den Song neu auf und “America” wurde zur thematischen Vorlage für The Ascension. Innerhalb von zwei Jahren entstand ein Album, das der Künstler fast vollständig selbst am Computer geschrieben und aufgenommen hat. “America”, der mit Abstand längste Song, hat dabei eine ganz besondere Stellung auf The Ascension. Als letzter Track, schließt er das Album ab, das er auch gleichzeitig inspiriert hat.
LYRICS ODER GEDANKEN?
Seine Texte wirken wie Gedanken. Alles sehr abstrakt gehalten, aber trotzdem mit persönlicher Bedeutung und Hintergrund. Der sechste Song des Albums “Die Happy” besteht beispielsweise ausschließlich aus einer einzigen Textzeile, I wanna die happy, die immer und immer wieder kommt. Vielleicht eine Notiz an sich selbst? Hier fragt man sich zu Recht, ob der Song überhaupt für einen Hörer gedacht ist oder ob Stevens den Song ausschließlich für sich selbst geschrieben hat.
Auch in “Video Game”, Nummer drei auf The Ascension, erscheint eine Zeile im Text immer wieder: I don’t wanna play your video game, als Ausdruck dafür selbstbestimmt und unabhängig zu sein. Und das vor allem in einer Gesellschaft, die sich hauptsächlich auf Social Media Plattformen bewegt. Stevens selbst sagt:
“It’s unfortunate that we live in a society where the value of people is quantified by likes, followers, listeners and views. So many people are seeking attention for the wrong reasons. I think we should all be doing our best work without looking for accolades or seeking reward.”
Sufjan Stevens zu “Video Games”
Entstanden sind 15 sehr ehrliche, sehr unkonventionelle Songs. The Ascension gehört zu den Alben, die man nie komplett verstehen wird. Bei jedem mal Hören findet man etwas Neues. Definitiv kein „easy listening“.
Sufjan Stevens – The Ascension ist am 25. September über Asthmatic Kitty Records erschienen.