Opernkritik
7 Deaths of Maria Callas
Marina Abramovics neuestes Projekt besteht aus vielen verschiedenen Medien, die alle am Ende zusammen kommen: Opernarienabend, Videoinstallation, Performance/Theater. Dabei geht es darum sich dem Tod, dem Schaffen und dem tragischen Leben einer der schillerndsten Opernstars aller Zeiten zu nähern: Maria Callas.
Auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper steht ein Bett. Im Bett liegt mit geschlossenen Augen Maria Callas – oder doch Marina Abramovic? Aus der Entfernung sehen sich die beiden Frauen zum Verwechseln ähnlich. So oder so: Mari(n)a liegt in einem Bett. Dann tritt die erste Sängerin an die Schlafende heran und singt „Addio, del passato“ aus La Traviata. In der Arie geht es darum Abschied zu nehmen vom bisherigen Leben. Ob die Arie ein Gedanke oder ein Traum der Schlafenden oder ein in der Luft schwebender Kommentar ist, wird nicht klar.
Dekonstruktion der Oper
Marina Abramovic beschrieb 7 Deaths of Maria Callas als eine Dekonstruktion der Oper. Und wenn man darunter versteht Oper in seine Bestandteile auseinanderzunehmen und neu wieder zusammen zu setzen so hat sie dies gewiss geschafft. Neben „Addio, del passato“ hören wie noch sechs weitere Arien, alle jeweils gesungen von Frauenrollen, die am Ende der Oper sterben und für die Maria Callas bekannt war. Abramovic nimmt nun diese einzelnen Arien und arrangiert sie auf der Bühne neu, so dass der rote Faden klar wird: Es geht um das Leiden und den Tod der Frauen auf der Bühne und im echten Leben. Unterstrichen wird dies noch einmal durch die Videoprojektionen, die während der Arien im Hintergrund laufen und das Bühnengeschehen kommentieren (zudem spielt in diesen kein geringerer als Willem Dafoe den männlichen Widerpart zu Abramovic – vielleicht erinnern die Videoclips deswegen manchmal an Lars von Triers Antichrist).
Nach den sieben Arien wacht Maria Callas in dem Pariser Hotelzimmer auf, in dem sie sterben wird, und an dieser Stelle wirkt das Stück wie eine Mischung zwischen Performancekunst und Theater. Etwas ziellos folgt sie einer gebieterischen Stimme so und so viele Schritte hier hin zu gehen und dann dies und jenes zu machen – bis sie von der Bühne geht und die Putzkolonne ihr Hotelzimmer fertig macht. Dann wissen wir: Nun ist die Callas nicht nur sieben Mal als Opernfigur auf der Bühne gestorben, sondern nun auch alleine in einem Pariser Hotelzimmer.
Zwischen Biographie und Bühne
Wenn Marina Abramovic darüber spricht woher ihr Interesse für Maria Callas herrührt, wie in diesem sehenswerten Interview mit dem Intendanten Nikolaus Bachler, dann erzählt sie stets folgende Geschichte: Als Kind half sie ihrer Großmutter in der Küche, als plötzlich eine wunderschöne Musik ertönte. Marina stellte das Radio lauter und war elektrisiert. Es ist Maria Callas, die „Casta Diva“ aus Bellini’s Norma zum Besten gibt.
Am Ende der Aufführung ertönt plötzlich eine Aufnahme und das erste Mal hören wir Maria Callas Stimme selbst. Sie singt „Casta Diva“. Gleichzeitig schreitet Marina Abramovic auf die Bühne in einem umwerfenden goldenen Opernkleid, das in dem Licht der großen Theaterscheinwerfern feierlich glitzert. Ist das jetzt Opernkitsch vom Besten? Ist das Opernkitsch vom Schlechtesten und wir springen nun „Kopfüber ins Fegefeuer des Kitschs“ (wie die Kollegen von BR Klassik titelten)? Oder erkennt man hier die Schnittstelle zwischen der aufgeplusterten, pathetischen Opernwelt und dem echten Leben von Maria und Marina? Auf jeden Fall verstehen wir nach der Vorstellung besser, was es sowohl für Maria Callas als auch für Marina Abramovic bedeutet, wenn Tosca in ihrer berühmten Arie singt: „Vissi d’arte, vissi d’amore.“ – „Ich habe für die Kunst gelebt. Ich habe für die Liebe gelebt.“
Sämtliche Aufführungen von 7 Deaths of Maria Callas an der Bayerischen Staatsoper waren direkt restlos ausverkauft. Die Aufnahme in der bayerischen Staatsoper ist jedoch noch in der Mediathek bis zum 07. Oktober hier abrufbar.