Jahresbilanz zur Pressefreiheit
Wie gefährlich ist Journalismus?
Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat ihre jährliche Bilanz zur Pressefreiheit veröffentlicht. Die sieht aber gar nicht gut aus. Weltweit wurden 80 Medienschaffende getötet, 348 wurden inhaftiert. Wie kann das sein? Anna Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen erzählt uns im Interview mehr über die Situation von Journalistinnen und Journalisten.
Frau Renzenbrink, 80 Medienschaffende wurden im letzten Jahr wegen ihrer Arbeit ermordet – das sind 15 mehr als im Vorjahr. Wie ist diese hohe Zahl einzuordnen?
Die Zahlen zeigen, dass nach wie vor bewaffnete Konflikte die größte Gefahr für Journalist*Innen weltweit sind, zugleich werden aber auch viele Journalist*Innen außerhalb von Kriegsregionen ermordet, wie zum Beispiel in Ländern wie Mexiko.
Das erwartet man erstmal gar nicht. Woran liegt das?
In Mexiko, aber auch in anderen Ländern Lateinamerikas, sind insbesondere Journalist*Innen gefährdet, die kritisch zu Drogenkartellen recherchieren. Das Problem ist, dass diese Mordfälle dann nicht aufgeklärt werden, weil zum Teil die Justiz und die Behörden mit drinstecken. Da ergibt sich ein Teufelskreis der Straflosigkeit. Täter und Hintermänner werden nie zur Rechenschaft gezogen.
Man hört in letzter Zeit viel von Verhaftungen, Entführungen und Folter. Ist es gefährlich, Journalist*In zu werden?
Ich glaube, in sehr vielen Ländern auf der Welt ist es lebensgefährlich, als Journalist*In zu arbeiten. Das Level an Gewalt, an Anfeindungen oder an Verbrechen gegen Medienschaffende ist grundsätzlich auf einem hohen Niveau. Es gibt sehr viele Feinde der Pressefreiheit auf der Welt, die mit allen Mitteln versuchen, kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Oft reichen auch schon Drohungen, damit Journalist*Innen eingeschüchtert werden und sich am Ende selbst zensieren.
Was kann man dagegen tun?
Was wir schon länger fordern ist ein UN-Sonderbeauftragter für den Schutz von Journalist*Innen mit einer eigenen Untersuchungsbefugnis, falls Länder oder Behörden nicht aufklären oder nicht aufklären wollen. Dadurch würde schon ein öffentlicher Druck entstehen.
Wichtig ist aber auch einfach, dass gewisse Themen nicht in den Hintergrund geraten, gerade auf politischer Seite. Zum Beispiel das Interesse für die Situation für Medienschaffende in der Türkei hat nach der Freilassung des deutschen Journalisten Deniz Yücel und der deutschen Journalistin Mesale Tolu viel zu stark abgenommen.
Was denken Sie – wie wird sich die Situation entwickeln?
Besorgniserregend finden wir vor allem, dass sich die Lage der Pressefreiheit in keiner Weltregion so stark verschlechtert hat wie in Europa. Leider ist deswegen also unsere Zukunftsprognose derzeit nicht sehr gut, aber umso wichtiger bleibt es, hinzuschauen, Freilassungen zu fordern und für die Pressefreiheit einzutreten.