Das Tier ist queer
Vogelwild geht es in der Natur zu: Vögel vögeln nämlich, wen sie wollen. Im Tierreich ist homosexuelles Verhalten weit verbreitet und völlig akzeptiert.
Letztes Jahr zum Christopher Street Day hatte sich der Tierpark Hellabrunn eine ganz besondere Aktion ausgedacht: Der Zoo bot Führungen zum Thema „Homosexualität im Tierreich“ an. Die Nachfrage war enorm, sagt Organisator Dennis Späth vom Tierpark Hellabrunn. Vielleicht auch, weil die Tiere verdeutlichen, wie natürlich homosexuelles Verhalten ist. Das ist nämlich im Tierreich weit verbreitet.
Bei etwa 1500 Arten sind Beobachtungen dokumentiert. Richtig gut in der Literatur beschrieben sind davon, laut Dr. Tutter, Biologin am Tierpark Hellabrunn, die Verhaltensweisen von etwas mehr als 500 Arten. Dazu gehören etwa Pinguine, Löwen, Giraffen, Bisons, Zwergschimpansen oder Schafe. Bei Haustieren kann man vermehrt homosexuelles Verhalten beobachten; bei Hausschafen beispielsweise zeigen etwa zehn Prozent der Böcke ein solches Verhalten.
Dass Tiere homosexuelles Verhalten zeigen ist keine neue Erkenntnis. Schon Aristoteles hatte es im 4. Jahrhundert vor Christus bei verschiedenen Vogelarten beobachtet sagt Dr. Tutter. Dann habe sich das Thema aber zum Tabu entwickelt – und die Wissenschaft einfach weggeschaut. Entsprechende Beobachtungen wurden schlicht nicht dokumentiert.
Sexuelle Orientierung und Verhalten
Homosexuelles Verhalten bei Tieren lässt sich allerdings nicht mit der menschlichen sexuellen Orientierung gleichsetzen. Die sexuelle Identität beim Menschen ist ein fundamentales Persönlichkeitsmerkmal, die meist das ganze Leben lang gleichbleibt. Da wir nicht wissen, was Tiere denken, kann man hier nicht von einer „Identität“ sprechen, sondern nur von homosexuellem Verhalten, sagt Tutter.
Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt darin, dass das sexuelle Verhalten vieler Tiere abhängig von Fortpflanzungszyklen ist. Viele Vogelarten treffen sich zum Beispiel zur Brunft- und Brutzeit an einem Ort, ziehen Junge groß und gehen sich dann bis zum nächsten Mal ohne weitere sexuelle Aktivität aus dem Weg. Insgesamt ist homosexuelles Verhalten vor allem bei Tieren verbreitet, die in Gruppen leben. Bei Einzelgängern, die sich nur zur Paarung treffen, würde ein ausschließliches oder fast ausschließliches homosexuelles Verhalten schließlich irgendwann zum Aussterben der Art führen.
Make Love not War
Sex dient bei Tieren auch mitnichten nur der Fortpflanzung, sondern auch der Konfliktlösung. Bei Zwergschimpansen oder Bonobos, die in von Weibchen geführten Gemeinschaften leben lösen die Damen laut Dr. Tutter ihre Führungsfragen ganz friedlich mit Sex. Sie verweist auf den Primatenforscher Frans de Waal der sogar sagte: Der Schimpanse löst sexuelle Angelegenheiten mit Macht, der Bono- oder Zwergschimpanse löst Machtfragen mit Sex. Das hat den Bonobos auch den Namen „Make-Love-not-War-Affen“ eingebracht. Auch Löwenmännchen sichern sich ihre gegenseitige Loyalität durch Sex zu. So können sie ein Rudel führen, ohne sich ständig mit Machtkämpfen beschäftigen zu müssen.
Wunschküken
Am besten ist homosexuelles Verhalten aber bei Vögeln untersucht. Insbesondere bei Arten, die in Kolonien brüten, wie Pinguinen, klauen männliche Paare häufig Eier um selbst ein Junges groß zu ziehen. Auch in Gefangenschaft zeigen Pinguine immer wieder ein solches Verhalten. Tierpfleger in einem Aquarium in Sydney gaben einem männlichen Pinguinpaar ein von der Mutter vernachlässigtes Ei, dass die beiden erfolgreich ausbrüteten. Bei Störchen lassen sich manchmal die Weibchen begatten und ziehen dann zusammen die Küken auf.
Und abseits von Machtkämpfen und Loyalitätsversprechungen gibt es noch einen Grund warum Tiere Sex haben: Sie haben einfach Spaß daran! Hunde und Schimpansen befriedigen sich auch mal selbst. Bei Schimpansenweibchen wurde schon beobachtet, dass sie sich einen Art Dildo basteln, indem sie solange an einem Holzstück knabbern, bis es die passende Form hat. Männliche Giraffen scheinen gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten sogar zu bevorzugen. Eins ist damit klar: Sexualität in der Natur ist bunt. Bei Tieren – und bei Menschen.