Basketball Star Sabrina Ionescu im Portrait
She in Bazooka Mode
Am 26. Januar 2020 verstarb Kobe Bryant als eine der größten Basketball-Legenden aller Zeiten. Doch sein Spirit, seine vielbeschworene “Mamba Mentality” lebt mehr als je zuvor. Er hat nicht nur seine Töchter geprägt, sondern Mädchen und junge Frauen überall – junge Frauen wie Sabrina Ionescu.
Pass this to my daughter, I’ma show her what it took
Kobes Einfluss fällt vielleicht nicht direkt auf, wenn man Sabrina Ionescu beim Spielen zuschaut. Im Gegensatz zu ihm sucht sie nicht zuerst ihren eigenen Wurf. Kobe Bryant war eher Vorbild für ihre Verbissenheit, für ihre bedingungslose Liebe zu diesem Spiel. Am College in Oregon mussten die Coaches sie nachts aus der Halle zerren, weil sie nicht aufhören wollte, an ihrem Spiel zu arbeiten. Natürlich ist Kobe Bryants “Mamba Mentality” eins ihrer Lieblingsbücher. Bryant war ein Ratgeber in basketballerischen, aber auch in Lebensfragen. Sabrina Ionescu wurde zum Vorbild von Bryants Tochter Gigi, die so tragisch zusammen mit ihrem Vater verstarb. Sie wollte, genau wie Ionescu, professionelle Basketballspielerin werden. Am 17. April 2020 wurde ihr gemeinsamer Traum zumindest symbolisch wahr. Gianna Bryant, ihr Vater und ihre beiden Teamkolleginnen Alyssa Altobelli und Payton Chester wurden bei dem diesjährigen WNBA-Draft geehrt. Wenig später war dann Ionescus Moment gekommen, als sie von den New York Liberty an erster Stelle gepickt wurde.
Der 24. Februar diesen Jahres wird Sabrina Ionescu wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben. Weniger weil sie an diesem Tag als erste Spieler*in in der Geschichte der US-College Liga NCAA 2000 Punkte, 1000 Rebounds und 1000 Assists erzielt hat, sondern vor allem weil sie gesprochen hat. Auf der Trauerfeier ihres Idols und Mentors Kobe Bryant. Das Staples Center in Los Angeles ist komplett überfüllt, alle wollen ihm die letzte Ehre erweisen. Reden dürfen natürlich die anderen Großen. Lakers Legenden wie Shaquille O’Neal oder Magic Johnson oder eben die 22-jährige Sabrina Ionescu.
That’s just all he know, he don’t know nothin’ else
Noch vor großen Hoffnungen als Nummer eins Pick und Tipps von einer der größten Legenden aller Zeiten, bestimmte vor allem ein Sache Ionescus Leben in Walnut Creek, Kalifornien: das ewige Wetteifern mit ihrem Zwillingsbruder Eddy. Wie bei Michael Jordan, dessen Ehrgeiz durch die Duelle mit Bruder Larry schon in jungen Jahren angeheizt wurde, ging es bei Sabrina und Eddy Ionescu immer ums gewinnen.
I tried to show ’em
Schon in ihrer ersten College-Saison bei den Oregon Ducks wird sie zur besten neuen Spielerin in ihrer Division gewählt. Aber nichts ist gut genug für Sabrina Ionescu. Sie will sich immer weiter verbessern, brennt in jeder einzelnen Trainingseinheit und in jedem Spiel. Am College hat sie keine einzige “Off-Night”, wo auf dem Feld absolut nichts geht. Sie ist immer am attackieren, ihr Vater Dan nennt das “Bazooka-Mode”. “She’s always on,” sagt ihr College-Coach Kelly Graves über sie, “(Diana) Taurasi, (Michael) Jordan—they have that same mentality (Anm.d.Red.)”. Was für Fußstapfen: der wohl berühmteste Basketballer aller Zeiten und eine der größten WNBA Legenden. Taurasis Spitzname “White Mamba”, angelehnt an ihre Scoringqualitäten spät im Spiel, würde auch zu Ionescu gut passen.
Goin’ on you with the Pick & Roll
Sabrina Ionescu ist die Verkörperung des modernen Point Guards. Mit ihren 1,80m ist sie zwar nicht übermäßig groß, aber sie lenkt den Angriff ihres Teams, bestimmt das Tempo und hat immer ein Auge für die offene Mitspielerin. Sie erkennt ihre Teamkolleginnen an ihren Würfen, weil sie die verschiedenen Wurfkurven studiert hat. So kann sie bei Fehlwürfen besser antizipieren, wo der Abpraller landet. Basketball ist gerade beim Rebounding ein Spiel der Winkel. Sie punktet nicht nur und bereitet vor, sondern holt auch viele von diesen Rebounds. Mit 16 Triple Doubles (jeweils zweistellige Werte bei Punkten, Assist und Rebounds) in 4 Jahren bei den Ducks ist sie ebenfalls alleinige NCAA Rekordhalterin. Das ruft natürlich wieder Vergleiche auf den Plan, vor allem mit NBA-Star Point Guard Russel Westbrook.
Westbrook ist dank seiner Athletik und Sprungkraft dominant. In beiden Kategorien bezeichnet Ionescu sich selbst nicht gerade als außergewöhnlichen “Freak”. Muss sie aber auch gar nicht sein, denn sie hat alle notwendigen Fundamentals. Sie spielt clever, findet den richtigen Mix aus Attacke und Abwarten und verliert selten den Ball. An ihrem Wurf hat die 22-Jährige unermüdlich gearbeitet, bis spät in die Nacht war dann aus der Halle laut Country-Musik zu hören. Und während man über Country im Allgemeinen vielleicht streiten kann, gibt es bei 43 Prozent Dreierquote keine Diskussionen. Da kann ihr auch ein Scharfschütze wie Stephen Curry wahrscheinlich nicht mehr viel erzählen. Vor dem Draft hatten die beiden trotzdem eine Trainingssession, damit der Wurf auch in der Corona-Krise nicht rostet.
Sun is down, freezing cold
Erfolg ruft immer auch Kritiker auf den Plan. Sie sei nur dominant gegen vermeintlich schwache Teams, die großen Spiele gegen große Mannschaften würden ihr fehlen, ätzen manche. Sabrina Ionescu nimmt sich jedes dieser Worte zu Herzen. Es macht sie traurig, aber gleichzeitig gießen die Hater so nur noch mehr Öl in ihr inneres Feuer. Sie war sicher, dass es dieses Jahr klappen würde mit dem Titel. Doch genau vor den Uni-Playoffs, der sogenannten “March Madness”, wurde der ganze NCAA Spielbetrieb, wegen des Corona-Virus auf Eis gelegt. Ionescu und Basketballfans auf der ganzen Welt wurden so um das große Finale ihrer Universitäts-Karriere gebracht.
Jesus Christ, checks over stripes
Aber auch bei ihrem nächsten Schritt, der WNBA, ist nicht alles Gold was glänzt. Von der Bezahlung her, gibt es kaum Anreize Profi zu werden. Das Durchschnittsgehalt bei den Frauen liegt nur knapp über 100.000 Dollar, in der NBA bei schlappen 7,7 Millionen. “It’s just funny how they’ll find anything to try and degrade and downplay the game just because women are playing it”, findet Ionescu. Sie konnte sich nach dem Draft immerhin über einen Ausstatter-Deal mit einem großen Sportartikelhersteller aus Oregon freuen. Die, nach wie vor, oft herrschende Ignoranz gegenüber Frauensport macht sie wütend. “Now we’re breaking norms, and it’s gonna take a while for people to get used to it,” sagt die Kalifornierin selbstbewusst. Sabrina Ionescu wird sich holen, was ihr und dem Frauen-Basketball zusteht. Frei nach einem großen deutschen Sprechgesangsartisten: “Wenn nicht mit Rap, dann mit dem Mädchen im Bazooka-Mode.”