Intensivpflege zuhause

Aufgeschoben statt aufgehoben

/ / Bild: M94.5

Eigentlich wäre heute im Bundesrat über das IPReG beraten worden: Ein umstrittener Gesetzesentwurf über die häusliche intensivpflegerische Versorgung von Menschen mit Behinderung. Das Gesetz soll einheitliche Grundsätze schaffen. Die Betroffenen kritisieren das Gesetz schon länger. Jetzt wurde die Abstimmung vertagt.

„Intensivpflege wird besser.“ Das ist das Ziel des neuen Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz, kurz IPReG sagt zumindest Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Demnach würden durch die Maßnahmen die Intensiv-Pflegebedürftigen besser versorgt werden und Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigt.  

Massive Kritik im Netz

Unter dem Hashtag #IPReG oder #noIPReG formiert sich jedoch Protest gegen das neue Gesetz:  

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Und auch der deutsche Behindertenrat veröffentlichte heute einen offenen Brief mit deutlicher Kritik am neuen Gesetz. Verena Bentele, Vorsitzende des Behindertenrats (DBR), war das angedachte Timing für die Entscheidung suspekt, denn der Bundesrat wollte eigentlich im Schnellverfahren über das Gesetz abstimmen. 

Verena Bentele

„Als Sozialverband VdK sind wir der Meinung, dass eine Krise wie die Corona-Pandemie nicht dafür ausgenutzt werden sollte, dass Gesetze schnell durch den Bundesrat gepeitscht werden.“ 

Verena Bentele, Vorsitzende des DBR, im M94.5-Interview

Ein Freifahrtschein für die Krankenkassen?

Die Kritiker des Gesetzes befürchten außerdem, dass pflegebedürftige Menschen, die bisher zuhause versorgt wurden, gegen ihren Willen in stationäre Einrichtungen verwiesen werden können. Denn: Laut IPReG müsste jährlich bescheinigt werden, dass die medizinische und pflegerische Versorgung zuhause „tatsächlich und dauerhaft” sichergestellt ist. Weil aber die ambulante Pflege zuhause sehr teuer ist, könnten Krankenkassen diese Überprüfungen dazu nutzen, Menschen mit Behinderung direkt in einem Heim unterzubringen. Für den Deutschen Behindertenrat, wird damit das Recht auf Selbstbestimmung des Wohnorts von Menschen mit Behinderung schwer verletzt.  

Deswegen pocht der Deutsche Behindertenrat auf den Schutz der Freiheitsrechte der Betroffenen:  

“Wir fordern, dass da keine Einschränkungen auf die Menschen zukommen, die diese Unterstützung zuhause in Anspruch nehmen möchten. Diese dürfen in ihren Freiheitsrechten nicht eingeschränkt werden.“ 

Verena Bentele, Vorsitzende des DBR, im M94.5-Interview

Außerdem werde dadurch „der Fokus auf die Organisation der Versorgung und nicht auf die Betroffenen selbst, ihr eigenes körperliches und seelisches Befinden gerichtet“. Denn selbst wenn tatsächlich Missstände in der häuslichen Pflege vorliegen, würden Betroffene das eventuell nicht mehr melden. Aus Angst, statt Hilfe zu erhalten, von ihrer Krankenkasse nur an ein Pflegeheim verwiesen zu werden. 

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Bruno Schmidt, 54, leidet an amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS. Auch er ist über den neuen Gesetzesvorschlag entsetzt.

Die endgültige Entscheidung soll nun doch erst im Sommer fallen. Eine Begründung für die Verschiebung lieferte der Bundesrat nicht. Diese Verschiebung sieht auch Verena Bentele erst mal als Gewinn: 

„Wir haben jetzt die Chance, unsere Argumente und auch die Perspektive der Menschen deutlich und intensiver in die Gesundheitsministerien des Bundes und der Länder zu tragen und dort in den Ausschüssen die Abgeordneten mit Infos zu versorgen.“ 

Verena Bentele, Vorsitzende des DBR, im M94.5-Interview