Alben für die Quarantäne #4
Frank Ocean – channel ORANGE
Quarantäne macht wenig Spaß, aber sie ist gerade sehr wichtig. Wenn ihr etwas Sinnvolles gegen die Langweile machen wollt, könnt ihr euch zum Beispiel Zeit für ein Gewerbe nehmen, das gerade seine Existenzgrundlage verliert: Die Kultur- und Musikindustrie. Die M94.5-Musikredaktion präsentiert euch passend dazu ein paar persönliche Lieblingsalben, die ihr unbedingt mal nachgeholt haben solltet…
Frank Ocean ist kein Name mehr, er ist ein Phänomen. Von seiner Musik wird keine bestimmte Zielgruppe, sondern mittlerweile die ganze Welt angesprochen. Frank Ocean verarbeitet und repräsentiert die aktuelle eigene und gesellschaftliche Lage. Er ist ein Spiegel für die heutige Gesellschaft. Seine Musik vermittelt Gefühle und Ängste, die von Millionen von jungen Leuten nachempfunden werden können.
Mit seinem Debütalbum channel ORANGE hat er nicht nur seine eigene Welt verändert, sondern die Musikindustrie als Ganzes.
He’s got the whole wide world in his hands
Bereits kurz nach dem Release von channel ORANGE war klar, dass Frank Ocean kein Underground-Artist bleibt. Das Album wurde von Kritikern aus allen Magazinen, Onlineseiten und Media-Outlets in den Himmel gelobt. Viele waren dankbar für den scheinbar plötzlich aufgegangenen Star auf dem RnB-Horizont.
Aber Frank Ocean ist schon lange vor seinem Debütalbum ein Name in der Musikindustrie. Bis dahin ist er aber nicht der Hauptcharakter, jemand anderes posed für die Cover seiner Lieder. Er hat lange als Ghostwriter gearbeitet, bevor er dann Teil des Kollektivs Odd Future wird. Hier sammelt er Erfahrung und vor allem Selbstbewusstsein – er wird von seinen Freunden bei Odd Future inspiriert sich als Solokünstler auszuprobieren.
Nach ersten Versuchen mit einem Record Label entscheidet er sich sein erstes Mixtape selbst zu veröffentlichen. Mit nostalgia, ULTRA. zieht er erste Blicke auf sich, die sich ein Jahr später mit “Thinking About You”, der ersten Single seines Debütalbums, vertausendfachen.
I saw the sky like I never seen before
channel ORANGE ist, verglichen mit den Alben, die Anfang der 2010er veröffentlicht wurden, eine wilde Mischung. Ein großer Teil von Oceans Charm ist, dass er sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Nicht als Person und vor allem nicht als Musiker. Er mischt RnB, Rap und Jazz, arbeitet mit Filmdialog und alltäglichen Samples.
Keines der 17 Lieder auf seinem Debüt ist im perfekten Einklang mit den anderen. Es gibt reine Instrumentals (“White”) und zehn minütige Songs in denen Kleopatra als Prostituierte neu konzipiert wird (“Pyramid”). Trozdem ist das Hörerlebnis keine wilde Achterbahnfahrt mit abrupten Auf und Abs. Oceans wandlungsfähige Stimme und sein Verständnis für Rhythmus und ästhetische Klänge schaffen eine Soundkulisse, mit durchdacht aufeinander abgestimmten Songs, die trotzdem nicht zu glatt und langweilig sind.
Lost In The Heat Of It All
Duch Frank Oceans gesamte Karriere zieht sich sein enormes Talent für Songwriting. Jedes Wort ist schneidend und scheint seine Gefühle und leicht verwirrte Situation perfekt zu spiegeln. Das tut er vor allem durch geschickt platzierte Anspielungen und der Verwebung von authentisch, kulturellem Slang und prunkhaft leeren Phrasen. Seine Texte sind schlau und unglaublich emotional.
Frank Ocean ist ein Künstler, der sich selbst viel im Hintergrund hält und seine Musik für sich sprechen lässt. Wo er als Person eher verschlossen ist, sind seine Texte roh und unglaublich persönlich. Es geht um Drogen und Prostitution, aber auch Familie und junge Liebe. Ocean erzählt von Erlebnissen auf eine Art und Weise, die es einem erlaubt beim Hören den Text auf eine ganz persönliche Weise zu interpretieren. Auch wenn er von seinem Leben singt, spiegelt er universell nachvollziehbare und bekannte Gefühle wieder. Das ganze Gefühlsspektrum einer Person wird hier in Songs verpackt und aus der Perspektive eines Hollywoodkünstlers präsentiert.
You run my mind, boy
Es ist unbestreitbar, dass Frank Ocean zu den populärsten Künstlern dieser Generation gehört. Meiner Meinung nach ist das vollkommen verdient. Als Künstler selbst repräsentiert er eine divers queere Jugend und mit seiner Musik spricht er Jeden an, der Gefühle hat. Während für viele sein zweites Album Blonde als besser gilt, da es konzeptueller und durchdachter ist, fühle ich mich trotzdem immer wieder zu seinem authentisch experimentellen Vorgänger hingezogen.