Platte des Monats September 2018
Blood Orange – Negro Swan
Zwischen Depression und Hoffnung, Hass und Liebe, Soul und Hip-Hop. Da kann man Negro Swan, das neue Album von Blood Orange, finden. In eine Schublade stecken lässt es sich nur physisch – die Platte ist viel zu experimentell, kollaborativ und themenübergreifend.
Negro Swan ist wohl das biografisch ehrlichste Projekt von Blood Orange, aka Dev Hynes. Und davon gibt es wirklich viele: von der Punkrock Band Test Icicles und seinem folkigen ersten Soloprojekt Lightspeed Champion zu dem nun schon 4 Alben starken Neo-Soul von Blood Orange – Dev Hynes hat schon so einiges auf seinem Lebenslauf stehen und das macht sich auch bei jedem einzelnen Song auf Negro Swan bemerkbar.
Why would we want to do the least?
Zwei Jahre hat es gebraucht, bis Negro Swan endlich bereit für unsere Ohren war. In dieser Zeit wanderte Dev Hynes von einem Aufnahmestudio zum anderen. Überall entstanden Aufnahmen, manchmal auch mit unterschiedlichen Künstlern und so weist die Platte Features von unter anderem A$AP Rocky, Diddy und Janet Mock, einer Transgender-Aktivistin, auf.
Auch musikalisch ist das Album sehr vielseitig: von Tracks wie “Charcoal Baby”, die Hynes‘ flinke Gitarrenpickings aufweisen, zu elektronischeren Klängen wie “Jewelry”. Genres wie R&B, Hip-Hop und sogar Rock werden aufgebrochen und vermischt, während Sirenen, Straßengeräusche und Monologe die oft fast träumerische Musik in die Realität zurück bringen. So webt Dev Hynes Orte, Genres und Menschen wie eine Patchworkdecke zusammen und gibt dadurch nicht nur einen Einblick in seine Welt, sondern zeigt auch, wie wichtig Kollaboration und Offenheit ist – nicht nur in der Musik.
No one wants to be the negro swan
Der schwarze Schwan wird oft als Metapher für ein Ereignis benutzt, das höchst unwahrscheinlich ist und im Nachhinein mit einfachen Erklärungen rationalisiert wird. In “Charcoal Baby” singt Dev Hynes: „No one wants to be the odd one out at times / No one wants to be the negro swan.“ Bei einem Song, der die schwarze Hautfarbe feiert, ist die übertragene Bedeutung von Negro Swan naheliegend: Die Zeit ist schon längst gekommen, dass man nicht mehr auf seine Hautfarbe reduziert und wegen ihr diskriminiert wird.
So dreht sich ein großer Teil des Albums um mentale Krankheiten in Verbindung mit Rassismus (“black depression”) oder Homophobie. Dev Hynes, der sich selbst als weder schwul noch hetero bezeichnet und als schwarzer Junge in einem Vorort von London aufwuchs, musste schon von klein auf mit diesen hasserfüllten Erfahrungen leben. Das Album ist jedoch alles andere als hasserfüllt. Stattdessen zeigt Blood Orange in Songs wie Saint oder Take Your Time, dass es Hoffnung auf Besserung gibt. In Dev Hynes eigenen Worten: “Der rote Faden durch alle Stücke auf dem Album ist die Hoffnung. Es geht um das Licht, das wir in uns selbst entfachen können, hoffentlich mit dem positiven Effekt, dass wir anderen aus ihrer Dunkelheit heraushelfen.”
Negro Swan ist ein Album, das mit seiner ruhigen Atmosphäre beim ersten Hören vielleicht etwas in den Hintergrund geraten könnte. Je intensiver man sich jedoch damit befasst, desto mehr fällt die Liebe zum Detail und die wichtige Botschaft auf, die jeder einzelne Song aufweist und die Blood Orange so besonders machen.
„Negro Swan“ von Blood Orange ist am 24.08.18 bei Domino Recording Company erschienen.