Spielart
Museum of Lungs
Wie macht man auf eine Krankheit aufmerksam, ohne dass man den Menschen einen langweiligen, fachmännischen Vortrag hält? Diese Frage hat sich Stacy Hardy gestellt. Auch eine Antwort hat die ehemalig an Tuberkulose erkrankte 46-Jährige: Ein etwas sehr anderes Theaterstück, dass eine Mischung aus Drama, Dokumentation und ein bisschen Komödie sein möchte.
Eine Bühne, eine Darstellerin, zwei Musiker, eine Puppe. Mehr braucht Stacy Hardy nicht. Vielleicht noch Licht, eine Taschenlampe, die im dunklen Raum flackert und für Schattenspiele im Hintergrund genutzt wird. Die Musiker spielen ihre Instrumente kratzend, singen murmelnd und untermalen die erzählte Geschichte so einzigartig und passend, dass der Zuschauer die Musik schnell nicht mehr infrage stellt. Die Puppe wird auf der Bühne zusammengebaut und von Stacy Hardy genutzt, um sich selber darzustellen und von außen betrachten zu können.
Eine Bühne für mehr als eine Krankheit
In ihrem Heimatland Südafrika zählt Tuberkulose noch heute zu einer der häufigsten Todesursachen. Dennoch dreht sich Museum of Lungs um weit mehr als die Krankheit. Die Vorgeschichte des Landes mit schlimmen Bedingungen für Minenarbeiter ist genauso Teil des Stücks wie das Leben in der Großstadt, Rassismus, das grausame Gesundheitssystem Südafrikas und Hardys Suche nach ihrem Platz in der Welt.
Zerbrechlich, dürr und unauffällig
Museum of Lungs wirkt gar nicht wie ein Theaterstück. Es wirkt viel mehr wie eine Erzählung einer Hauptfigur, die sich selbst und die Handlung von außen betrachtet. Stacy Hardy macht das noch deutlicher, indem sie eine Puppe als ihre Doppelgängerin auf der Bühne hat. Diese Puppe ist zerbrechlich, dürr und unauffällig. Genau wie Hardy sich selber sieht. Als würde sich die Südafrikanerin selbst manipulieren, bewegt sie die Puppe, entfernt ihre Gliedmaßen, beleuchtet im dunklen Raum nur Teile ihrer Doppelgängerin. Der Fokus liegt ganz klar auf der Ich-Erzählerin. Da sonst nicht viel auf der Bühne passiert, hat Hardy erst recht die gesammelte Aufmerksamkeit des Publikums – und zieht dieses mit ihrer Erzählweise, ihren Bewegungen und der Musik in ihren Bann.
Doch nicht alles im Leben von Stacy Hardy ist düster, zerbrechlich, traurig und krank. Auch in den schlimmsten Situationen beweist sie Humor, nimmt die Ärzte im Krankenhaus nicht ernst und äfft sie nach, zeigt ihre ehrlichen und direkten Gedanken zu Sex und Masturbation und redet ausführlich über das Hier und Jetzt aber auch die Vergangenheit und die Zukunft.
Mehr als nur ein Theaterstück
Auch der Zuschauer wird zum Nachdenken angeregt: Hardy stellt sich die Frage, ob sie die Krankheit überhaupt loswerden will. Denn sie ist inzwischen ein Teil von ihr, ein Teil von ihrem Körper. Ist sie noch sie selbst, wenn sie von der Tuberkulose befreit ist?
In nur 50 Minuten behandelt Stacy Hardy viele Themen auf viele verschiedene Arten und Weisen. Das Ende kommt etwas abrupt, macht Museum of Lungs dennoch nicht schlechter. Ein tiefgründiges, etwas anderes Theaterstück – das definitiv beim Publikum ankommt.
Museum of Lungs lief auf dem SPIELART Festival in München.