Filmfest 2019
Saturday Afternoon
Wenn ein bengalischer Regisseur einen Film in einem einzigen Schnitt dreht und damit die Geschehnisse eines terroristischen Attentats verarbeitet, ist das nicht nur interessant und sehenswert, es zeigt auch, wie Film mit solchen Ereignissen umgehen kann. “Saturday Afternoon” ist in seinem Heimatland Bangladesch verboten, auf dem Filmfest München feiert er gerade Deutschlandpremiere.
Der 01. Juli 2016
Weißt du, was am 01. Juli 2016 passiert ist?
Wahrscheinlich nicht. Dhaka ist sehr weit weg, wenig bekommen wir von der bengalischen Hauptstadt zu sehen. Zweiundzwanzig Menschen starben an diesem Tag im Café Holey Artisan Bakery, an einem warmen Samstag Nachmittag in einer Stadt, die bisher wenig Terrorismus gesehen hatte.
Eine Gruppe bengalischer Männer tötet alle Ausländer und Nicht-Muslime im Café und hält die übrigen Café-Besucher gefangen. Es ist schwierig, einen solchen Samstag Nachmittag nachzuerzählen, zu rekonstruieren, was tatsächlich passiert ist, ohne in Schubladen zu greifen, anmaßend oder spekulativ zu werden. Schwierig, aber auch unpassend, findet Regisseur Mostofa Sarwar Farooki.
Auf dem Filmfest in München stellt er seinen siebten Kinofilm, Saturday Afternoon, zum ersten Mal in Deutschland vor – passenderweise am 01. Juli. Lässig, aber auch nachdenklich steht er vor der Leinwand. Graues Hemd, Kappe, Bart und Brille: Wer ihn zuvor noch für hager und klein gehalten hat, schaut spätestens nach dem Film zu ihm auf.
Saturday Afternoon erzählt die Geschehnisse des 01. Juli nicht nach, sondern neu, in eigener Form, und schafft es so, gekonnt und taktvoll die Ideologien der Attentäter vorzuführen.
Schonunungslos Sanft
Das Besondere: Die gesamten 86 Minuten des Films sind in einem einzigen Cut gedreht. Eine filmische, aber auch technische Herausforderung. Während der insgesamt drei Durchgänge, die Farooki mit seinem Team gedreht hat, rannte er hinter dem Kameramann Aziz Zhambakiyev her: Eine Wasserflasche in der einen, eine Tafel Schokolade in der anderen Hand. “Jedes Mal, wenn ich sah, dass seine Hände zu zittern beginnen, gab ich ihm Wasser oder Schokolade.”
Diese Kameraführung hält schonungslos drauf, schaut zu keiner Sekunde weg und vermittelt damit etwas Unangenehmes, Drängendes. Farooki verbindet das mit gekonnt gesetzten Pausen und stillen, cinematographisch beeindruckenden, fast malerischen Momenten.
Den terroristischen Ton treffen?
Im Erzählen nimmt er sich Zeit, befreit seine Handlung von einem gewohnten, durch die Medien zur Genüge ausgeschlachteten Narrativ. So steigt er beispielsweise erst nach Beginn des Attentats mitten in der Geiselnahme ein, endet aber schon, bevor die Polizei das Gebäude stürmt und die Attentäter tötet. Das nimmt dem Film eine unpassende Dramatisierung oder gar einen Voyeurismus, der bei Filmen über Attentate (wie zum Beispiel Utøya 22. Juli) nur zu leicht überhand nehmen kann. Stattdessen konzentriert sich Saturday Afternoon auf die Dialoge zwischen Tätern und Opfer. Während die Attentäter die einzelnen Geiseln befragen und bedrohen, scheinen sie sich in der Irrationalität des eigenen Fanatismus manchmal selbst zu verfangen, selbst vorzuführen.
Dennoch: Saturday Afternoon ist und bleibt ein Film über ein Attentat und das bedeutet auch, dass trotz aller Dialoge an skrupelloser Grausamkeit nichts beschönigt wird. Immer wieder wird zwischen den Gesprächen jemand erschossen, eine schwangere Frau beispielsweise oder ein Mann, der dafür seine Mutter ans Telefon holen muss.
“Ich bin es gewöhnt”
Fünf seiner sieben Filme sind in Bangladesh verboten, so auch Saturday Afternoon. Bangladesh möchte kein negatives Bild des Landes verbreiten, so die Regierung. Aufgeben will der 46-jährige Filmemacher trotzdem nicht; oder erst recht nicht: Es ist ihm wichtig, dass Bengali den Film sehen, dass Diskussion angeregt wird, über schwierige Themen und Ereignisse gesprochen wird. Und da ist sich Farooki sicher: Er wird “sicher nicht damit aufhören”.
Ferooki spricht in seinem Land einen wichtigen Diskurs an und schafft mit Saturday Afternoon eine interessante Neuerzählung, die die Essenz des Ereignisses vermutlich besser greift als ein ganzer Stapel Zeitungsartikel.
“Saturday Afternoon” ist noch bis Donnerstag, den 04. Juli, auf dem Filmfest München zu sehen.