8 chan
Social Media der Gewalt?
Die tragischen Ereignisse in El Paso haben nicht nur erneut eine Diskussion über das amerikanische Waffengesetz ausgelöst, sondern auch über Meinungsfreiheit im Internet. Denn das Manifest des Schützen wurde kurz nach dem Attentat im Internet verbreitet – schon der dritte rechtsradikale Anschlag mit direkter Verbindung zu dem Netzwerk “8chan”. Aber wie kann eine Internetseite zur Brutstätte von Attentätern werden?
Das (a)soziale Netzwerk “8chan” ist eine Online-Plattform, die sich aus vielen kleineren Foren zusammensetzt. Dort werden Videos und Memes geteilt und diskutiert. Die Foren werden dabei von den Usern selbst moderiert. Das bedeutet, dass dem geposteten Inhalten quasi keine Grenzen gesetzt sind. Und das ist auch die beste Werbung für “8chan”: „Hier könnt ihr all das posten für das ihr von anderen Webseiten verbannt werden würdet“, steht auf der Startwebsite der Seite. Und das zieht natürlich einen ganz bestimmten Schlag von Menschen an.
Die Hierarchie des Internets – von Facebook bis ins Dark-Web
Was die Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerungen angeht, gibt es eine Art Hierarchie im Internet. Soziale Netzwerke wie Twitter, YouTube, Facebook oder Instagram haben Zehntausende an sogenannten Content-Moderatoren beschäftigt, also Menschen die gepostete Inhalte überprüfen und sperren. Sie filtern nach den jeweiligen Richtlinien und einer gewissen politischen Korrektheit: Inhalte zu Cyber-Mobbing, Gewalt, Terrorismus, Folter, Tierquälerei und Kindermissbrauch werden dementsprechend aus einer Time-Line gelöscht. Manche Nutzer fühlen sich aber durch diese Richtlinien in ihrer freien Meinungsäußerung eingeschränkt und greifen daher auf andere Plattformen zurück.
Es gibt eine Fülle an sozialen Netzwerken, abseits vom Mainstream, auf denen aktuelle News, Links, Videos und Memes geteilt werden können. Ein Beispiel dafür ist “Reddit”, wem das zu PG und nicht radikal genug ist, wechselt zu “4chan”. Hier tümmeln sich anonym Verschwörungstheoretiker, selbsternannte Experten mit Rednecks und Chauvinisten. Am Ende dieser Abwärtsspirale findet sich “8chan”, das letzte „unzensierte“ Fleckchen des legalen Internets, das sich zum Hafen für rechtsextremistische Täter entwickelt hat. Endlose Hasstiraden, sexistische und rassistische Gesinnung werden hier verbreiten und finden dabei großen Anklang bei der Community.
Gelöscht vom Google Suchindex
Gegründet wurde “8chan” von Fredrick Brennan unter dem Vorwand “4chan” würde Inhalte zu autoritär filtern. “8chan” sei dazu die„Meinungsfreiheit-freundliche“ Alternative. Dieser „Wilde-Westen“ des Internets, hat sich in dem Unterforum „political incorrect (/pol/)“, zu einer Brutstätte der infizierenden Meinungsmache für rassistische und sexistische Ideologien entwickelt. Unter dem Deckmantel der „Freedom of Speech“ kann hier alles veröffentlicht werden, was nicht unmittelbar mit dem amerikanischen Gesetz in Konflikt gerät. Die Bandbreite reicht von Buch „Rezensionen“ zu „The Might to Right/Survival of the Fittest“, über Gewaltphantasien, bis hin zu Kinderpornographie. Aus diesem Grund wurde “8chan” bereits 2015 von Google aus dem Suchindex ausgeschlossen. Was seiner Popularität aber keinen Einhalt gebot, im Gegenteil.
Im Austausch mit Tätern
Schon längst hat die Plattform und seine Nutzer eine Eigendynamik entwickelt, der kein Content-Moderator mehr Einhalt gebieten kann. So wurden die Anschläge von Christchurch auf “8chan” angekündigt, mit einem Link wo eine Live-Video des Attentats zu finden war. In den Kommentaren wurde der Täter bejubelt und ein Opfer-Count eingerichtet.
Letzte Woche wiederholte sich der verstörende Hergang in El Paso. Wieder wurde das Manifest des Täters auf “8chan” veröffentlicht – bejubelt von den Nutzern. Jetzt endlich hat der Serverprovider Cloudflare seine Zusammenarbeit mit “8chan” abrupt beendet und die Seite ist außerhalb des Dark-Webs nicht mehr zu finden.
„Sorry for the inconvenience, common sense will prevail“
So entschuldigt sich Jim Watkins bei den rund 1 Millionen Usern seines Netzwerks. Seitdem Brennan das Netzwerk verlassen hat, ist der Militär-Veterinär alleiniger Besitzer der Seite. Fast monoton erklärt er in einem Video was “8chan” sei: Eine leeres Blatt Papier auf dem die Menschen schreiben können. Was sie darauf treiben würden, sei ihnen selbst überlassen.
Wenn man sich dem Inhalt von “8chan” zu lange aussetzt, bekommt man das Gefühl, der sich selbst überlassene Mensch mutiere zum hasserfüllten Monster. Natürlich ist “8chan” nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft, sondern ein Sammelbecken für die radikalisierte Minderheit, welche von anderen Internet Plattformen ausgeschlossen wurde. Aber auch das sollte abschließend hinterfragt werden: Hass und Unzufriedenheit verschwinden nicht einfach und auch “8chan” und seine toxischen Ideologien wird letztendlich „ein neues Zuhause finden“. Tatsächlich sollte dringend der „common sense“ Einzug in die Internet Community finden und der Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Hassrede erkannt werden.