Ein gedanklicher Festivalbesuch
Sommer, Sonne, Dosenbier!
Auf dem harten Zeltboden schlafen, ein beißender Geruch strömt aus den Klokabinen und es regnet ununterbrochen. Für das Ganze zahlen Festivalbesucher*innen gerne mal 200 Euro und trotzdem lieben sie es: das Festival. Larissa Dillmann sinniert darüber wie es wäre, gerade auf einem Festival zu sein.
Der Boden ist jetzt schon matschig. Wir holen unsere Bändchen ab und begeben uns auf die Suche nach dem perfekten Zeltplatz. Seit vier Stunden sind wir unterwegs – mit dem Zug gefüllt von motivierten Festivalfans, vollgepackt mit Isomatte, Campingstuhl und Einhornkostüm.
Zur Feier des ersten Festivaltages mache ich mir mit meinen neuen Nachbar*innen ein schon warm gewordenes Dosenbier auf und studiere das Programm.
Nach ein paar Runden Flunkyball muss ich aufs Klo – die Kabinen lassen jetzt schon zu wünschen übrig. Da heißt es: Luft anhalten und schnell sein!
Mit Gummistiefeln im Moshpit
Meine neuen Zeltplatzfreund*innen und ich begeben uns auf das Festivalgelände. Die mit bunten Gummistiefeln ausgestattete Menge tobt! Es bilden sich einige Kreise, in denen sich angeheiterte, erwachsene Menschen schwungvoll hin und her schubsen – zur gemeinsamen Belustigung, versteht sich.
Die Band, die ich hören will, ist für 4:00 Uhr morgens angesetzt. Zu dieser Zeit liege ich schon fertig vom Tag in meinem verregneten Zelt und schlafe zum laut ertönenden Bass-Wummern ein.
Es ist 7:00 Uhr morgens – Ich wache auf, weil mein Zelt einer Sauna gleicht. Zum Frühstück trinke ich ein warmes Radler und esse kalte Ravioli: eine Speise für die Götter! Ich bin bereit für den Tag. Heute gehe ich zu den Bands, die ich sehen will – diesmal wirklich, ganz sicher!
Die Alkoholleichen aus den anderen Zelten erwachen allmählich auch von den Toten und wir begeben uns auf den Weg, um uns etwas frisch zu machen.
Ein Tropfen Sauberkeit
Für die Waschgelegenheiten, die sich liebevoll “Duschen” nennen, stehen wir zwei Stunden an. Nach dem Aufenthalt in einer der vorhanglosen Kabinen, in der einem das Wasser bis zum Knöchel steht, weil eine Mischung aus Haarbüscheln, Zahnpasta, Matsch und… Körperflüssigkeiten den Abfluss verstopft, während einzelne, kalte Tropfen aus dem Hahn plätschern, fühle ich mich nur bedingt sauberer.
Die aktuelle Zeit: Egal – aber Zeit für Dosenbier! Dazu passend präparieren wir unseren Körper derart mit Glitzer, dass selbst in einigen Wochen noch kleine bunte Spuren vom heutigen Tag zeugen. Die Sonne scheint, alle mögen sich, die Welt ist ein toller Ort!
Die Anzahl an neuen Zeltnachbar*innen steigt exponentiell und gemeinsam machen wir uns auf den Weg, Bands bei ihren Auftritten lautstark, mit Leib und Seele zu bejubeln. Der beste Auftritt, den ich je gesehen habe! Und der Schlagzeuger ist unfassbar heiß!
Ich sitze auf den Schultern eines Flamingos und fange Konfetti, das von der Bühne geschossen wird, auf. Der Flamingo ist im echten Leben Anwalt – aber davon merkt man heute nichts!
Ein schmerzhaftes Ende
Unsere Stimmen verabschieden sich zunehmend, dank des stundenlangen, kraftvollen Geschreis. Am nächsten Morgen brennt meine Kehle. Zum Frühstück gönne ich mir diesmal gebratene Nudeln – fettig, viel und warm – geil!
Ohne Dosenbier im Körper, machen auch die Besuche der Klos zunehmend weniger Spaß. Der Zeltplatz ist umhüllt von einem eigenartigen Geruch aus Schweiß, Dreck und Essensresten.
Mein Zelt sah auch schon mal neuer aus und von den Heringen, die ich anfangs dabei hatte, sind noch genau zwei da. Es fehlt auch der ein oder andere Campingstuhl.
Wir tauschen zum Abschied Nummern mit unseren treuen Nachbar*innen aus – man trifft sich sicher nochmal…
Auf dem Weg zurück zum Zug regnet es diesmal nicht. Schön war es: euphorisch, eskalativ, lebendig!