Kritik des Vernünftigen
300 Jahre Immanuel Kant
2024 jährt sich der Geburtstag Immanuel Kants zum 300 Mal. Neben den Meilensteinen, die er für die europäische Philosophie gesetzt hat, wurde er zuletzt immer wieder für rassistische und sexistische Aussagen kritisiert. Ein Blick auf die Debatte dahinter.
“Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.” Ein Zitat, dass fast jeder schonmal gelesen oder gehört hat. An seinem Urheber – Immanuel Kant – kommt man auch 300 Jahre nach dessen Geburt nur schwer vorbei. Für viele ist er bis heute der deutsche Philosoph. Wer Kant zitiert, hat fast automatisch Recht.
Gleichzeitig gibt es zunehmend Kritik an Kant, aufgrund rassistischer und sexistischer Aussagen. Kritik, die in den Jubiläumsfeierlichkeiten ihren Platz finden muss. Wie sieht die Debatte aus, wenn man die vier Grundfragen der Philosophie nach Kant an sie richtet?
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Was können wir wissen?
Die Debatte über Kants rassistische und sexistische Ansichten wurden im Zuge der Black Lives Matter Proteste gesellschaftlich relevant. Diskutiert werden v.a. Passagen in Kants anthropologischen Schriften, in denen er die Menschheit in „Racen“ einteilte und ihnen unterschiedliche physische sowie charakterliche Eigenschaften zuordnete. Während den Europäern die “größte Vollkommenheit” unterstellt wird, seien Native Americans die unzivilisierteste “Völkerschaft”. Die Verteidiger Kants berufen sich auf andere Konzepte, die allein durch ihre Aussagen Rassismus nahezu ausschließen sollen. So wie den kategorischen Imperativ (Behandle andere so wie du auch selbst behandelt werden möchtest). Oder das von Kant propagierte Weltbürgertum (alle Menschen sind Teil einer einzigen Gemeinschaft, Menschenrechte sollen nicht durch nationale Grenzen eingeschränkt werden).
Was sollen wir tun?
Kants Rassentheorie sei problematisch, aber eben auch symptomatisch für seine Zeit, sagt Professor Bernd Dörflinger von der Uni Trier. Zu einem konstruktiven Umgang mit Kants Aussagen müssten diese in historischen Kontext gesetzt werden. Heutige Wertungen unterschieden sich grundlegend von den gesellschaftlichen Normen des 18. Jahrhunderts.
Das ist per se keine Entschuldigung für Rassismus. Aber diesen Umstand zu berücksichtigen, ist notwendig für einen verantwortungsgerechten Umgang. Hlefen kann dem gesellschaftlichen Diskurs an dieser Stelle der Blick auf wissenschaftlichen Positionen zum Thema. Dort wird bereits deutlich länger über Rassismus und Sexismus bei den Philosophen der Aufklärung gesprochen. Die Philosophin Anke Graneß äußerte sich dazu beim Sender Deutschlandfunk Kultur: Man müsse sich des Spannungsfelds bewusst sein „zwischen Konzepten, die entwickelt worden sind von weißen europäischen Philosophen und den Einschränkungen, die damit gleichzeitig einhergehen.“
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Was dürfen wir hoffen?
War Kant also nur naiv genug, Rassismus anderer zu reproduzieren? Hat er seine Meinung im Laufe des Lebens vielleicht sogar geändert? Für einige Kant-Expert:Innen legen das zumindest seine späteren Werke nahe. Nach 1799 rückte Kant von seinen eigenen Positionen ab, wie etwa einer „Rassenhierachie“. So Philosophieprofessorin Pauline Kleingeld in ihrem Artikel “Kant´s Second Thoughts on Race” 2007.
Was ist der Mensch?
wäre vielleicht eine weitere Aussage Kants. Denn auch Irren ist menschlich. Kant wird dieses Jahr für viele große Gedanken gefeiert. Es ist aber auch an der Zeit, dabei seine Fehler nicht aus den Augen zu lassen. Gedanken zu kritisieren, die uns nach 300 Jahren befremdlich erscheinen – das muss nicht heißen, dass Kant nicht mehr zu gebrauchen ist. Es heißt nur, dass wir mutig genug ssein sollten, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen.